Rezension

Stimmungsvolles Machtgefüge

Männer sterben bei uns nicht -

Männer sterben bei uns nicht
von Annika Reich

Bewertet mit 4 Sternen

Allen, die zögern, dieses Buch allein wegen seines absolut traumhaften Covers zu kaufen, kann ich Entwarnung geben: tut es mit ruhigem Gewissen, der Inhalt ist es ebenso wert. Das gilt jedenfalls für all jene, die keine dramaturgischen Höhepunkte voraussetzen, sondern sich ganz darauf einlassen mögen, eine junge Frau am persönlichen Kipppunkt ihrer Biografie kennenzulernen.

Die Sätze ranken sich in diesem Roman gewissermaßen um ein prachtvolles Anwesen am See, den Sitz einer Familie, welche von der Großmutter beherrscht und kontrolliert wird. Männer gibt es hier nicht, sie sind im besten Fall abwesend und durch Reichtum repräsentiert. Stattdessen sind es drei Generationen von Frauen, die hier die Familiengeschichte prägen und von ihr geprägt werden, die in das patriarchale Machtsystem, das durch die Großmutter bewahrt und gestützt wird, eingebettet und aufeinander bezogen sind. Am Grab der Großmutter trifft Luise die anderen Frauen der Familie wieder und beginnt langsam zu verstehen: die Familiengeheimnisse, das Misstrauen untereinander, das Schweigen, das gegenseitige Verurteilen sind Teil des Systems. Lässt sich daraus ausbrechen?

Annika Reich schreibt stimmungsvoll, das prächtige, erhabene und doch düstere Anwesen hat seine ganz eigenen Anziehungskräfte und bildet einen atmosphärischen Hintergrund für die Beziehungsdynamiken. Es geht weniger um eine Erklärung dieser Zusammenhänge, vieles bleibt implizit und angedeutet, bewegt sich als Schatten unter der Oberfläche, an manche der Figuren hätte ich gerne näher ran gewollt und das Ende war mir ein wenig zu unkonkret. Und doch hat gerade diese undurchsichtige Stimmung das Thema das Buches getragen und bekräftigt, in mir eine intuitive Resonanz ausgelöst und viel bewegt.