Rezension

Stoner

Stoner - John Williams

Stoner
von John Williams

Bewertet mit 4 Sternen

Begeisterte, ja beinahe stürmische Kritiken erhielt der Roman "Stoner", als er vergangenes Jahr beinahe fünfzig Jahre nach seiner Erstveröffentlichung wiederentdeckt wurde. Was ist das für eine Geschichte, die einen derartig einhelligen Jubel auslöste? Es ist eine ganz einfache, schlichte Geschichte, die hier erzählt wird. Es ist die Lebensgeschichte von William Stoner, von seiner Geburt im Jahre 1891 auf einer kleinen Farm im tiefsten Missouri bis zu seinem Tod mit 65 Jahren. Es ist kein einfaches Leben, das hier geschildert wird und auch kein glückliches. Die Eltern ermöglichen dem einzigen Kind das Studium der Agrarwissenschaften, auch um eine Zukunft für ihre eigene Farm bemüht. Stoner entdeckt an der Universität im Rahmen eines Pflichtkurses in einer Art Erweckungserlebnis seine Liebe zur Literatur und Sprache, eine Liebe fürs Leben. Ein engagierter Professor erkennt sein Talent für die Lehre und Stoner schlägt die Universitätslaufbahn ein. Eine unglückliche Ehe, Anfeindungen im Beruf, eine an den Konventionen scheiternde späte Liebe, eine Krebserkrankung folgen. Bereits zu Beginn fasst der Autor John Williams dieses Leben auf weniger als einer halben Seite zusammen und bringt auch dessen Scheitern zum Ausdruck. "Er brachte es nur bis zum Assistenzprofessor und nur wenige Studenten, die an seinen Kursen teilnahmen, erinnerten sich mit einiger Deutlichkeit an ihn." Genauso schlicht und lakonisch wird von diesem Leben berichtet und genauso schlicht und lakonisch verläuft es. Stoner fügt sich darein. Sein Name ist sprechend: Wie ein Stein widersteht er der Brandung des Lebens, ebensowenig wie ein Stein greift er aber jemals aktiv ein. Nur einmal bietet er seinem Widersacher an der Uni die Stirn. Sonst erduldet er die Schikanen seiner gefühlskalten Frau ebenso wie die Ränkespiele seiner akademischen Kollegen. Auch dem Abstieg seiner geliebten Tochter in die Alkoholsucht hat er nichts entgegenzusetzen. Und da liegen meine Vorbehalte dem Buch gegenüber. Nirgends werden Erklärungsansätze geboten, warum Stoner in dieser übergroßen Duldsamkeit verharrt, auch Hintergründe für das bösartige, schon ins psychisch kranke weisende Verhalten seiner Frau werden höchstens ansatzweise geboten. Williams stellt seine Personen auf und scheint zu sagen: So sind sie, so musst du sie nehmen. Das führt zu einer gewissen Schwarz-Weiß-Malerei und eine eigenartige Distanz den Figuren gegenüber. Trotzdem gelingt es John Williams, das Interesse des Lesers für dieses Leben zu halten und ihn auch damit zu berühren. Das ist vor allem der großen Übereinstimmung von Lakonie und Schlichtheit sowohl im Leben Stoners als auch in der Sprache geschuldet. Und dem immerwährenden Staunen darüber, was ein Leben sein und wie leicht es scheitern kann. Ein Staunen, das auch Stoner am Ende, auf seinem Sterbebett ergreift: "Was hast du denn erwartet?" fragt er sich. Aber auch: "Er weiß, was er gewesen ist."

Kommentare

Naibenak kommentierte am 19. August 2014 um 17:49

Schöne Rezi zu einem besonderen Buch! :-) hat mir auch gefallen!