Rezension

Story hat es in sich

Schande
von J. M. Coetzee

Bewertet mit 5 Sternen

David Lurie ist 52,  zweifach geschieden, Vater einer erwachsenen Tochter und Professor an der Universität in Kapstadt. Zu seinen Ex-Frauen hat er keinen Kontakt, seine Tochter ist mit ihrer Lebensgefährtin auf eine Farm im Ost-Kap gezogen und seine Studenten sind unheimlich gelangweilt von seinen Vorlesungen. Als Lurie dann auch noch wegen sexueller Belästigung einer seiner dunkelhäutigen Studentinnen von der Universität verwiesen wird, steht er komplett vor dem nichts. Er weigert sich, zu bereuen. Sieht sich als Kämpfer für die Liebe zwischen den beiden, genauso wie sein verehrtes Vorbild Lord Byron. Das er die Studentin zu dieser "Liebe" gedrängt hat und sich eigentlich versucht hat zu wehren, sieht Lurie nicht ein. Stattdessen legt er eine stoische Gleichgültigkeit an den Tag und kann auch den Richtspruch des Universitätsrat nicht verstehen. Nachdem er von der Uni ausgeschlossen wurde, beschließt Lurie seine Tochter Lucy auf ihrer Farm zu besuchen und dort eine Abhandlung über seinen geliebten Byron zu schreiben. Lucy hat sich jedoch in eine komplett andere Richtung entwickelt als ihr Vater und so ist die Beziehung zwischen den beiden sehr frostig. Außerdem stößt Lurie im Ost-Kap auf eine völlig andere Welt. Denn dort ist die Spannung zwischen Schwarz und Weiß trotz Ende der Apartheid noch sehr stark. Und das bekommen David und Lucy am eigenen Leib zu spüren, als sie von drei Schwarzen überfallen werden...

Unscheinbar kommt diese Geschichte zunächst daher, denn Coetzee schreibt schlicht, einfach und unverschnörkelt. Doch die Story hat es in sich. Zunächst lernt man nur Lurie und seine Weltansicht kennen und schnell wird klar: das ist kein Sympathieträger! Lurie sieht sich über den Dingen, behandelt alle Menschen von oben herab und halt sie für ungebildet, Ihm, dem verklärten Romantiker, scheint die Welt zu gehören. Die Einsicht kommt auch nicht, nachdem er aus der Universität verwiesen wird. Und als er dann zu seiner Tochter reist, sieht er sich plötzlich einer völlig anderen Welt ausgesetzt: Eine Welt in der Handwerk und Farmarbeit zum Überleben gehört. Eine Welt in der Gewalt und bedrohliche Situationen zum Alltag gehören, die Apartheid immer noch präsent scheint und in der sein hoher Geist nicht zu helfen scheint. So prallen schnell Romantik und Realismus aufeinander und ziehen Lurie und uns Leser in einen Strudel an Ereignissen, dem man sich so schnell nicht entreißen kann.