Rezension

Strenge Regeln, veraltete Konventionen und ein vorherbestimmtes Leben...

Zwei Welten - Michael G. Spitzer

Zwei Welten
von Michael G. Spitzer

Bewertet mit 4 Sternen

Kurzbeschreibung

In einem Verbund von magisch begabten Menschen wird alle zehn Generationen ein Kind geboren, bei dem die Fähigkeiten besonders stark sind. Als die 17-jährige Charlotte Shearer in diese Gesellschaft eingeführt wird, beginnt für sie ein neues, von ungewohntem Wohlstand geprägtes Leben. Doch schon bald muss sie erkennen, dass dieser Luxus ein Opfer von ihr verlangt, welches sie nicht zu bringen bereit ist. Um dieser Forderung entgegentreten zu können, bleibt ihr keine andere Wahl: Charlotte muss ihre Fähigkeiten einsetzen. 

Meinung

"Zwei Welten - Die zehnte Generation " ist der erste Band einer fantastischen Dilogie von Michael G. Spitzer. Das Buch ist am 2. September 2017 im Hybrid Verlag erschienen, umfasst 644 Seiten und ist als ebook oder als Taschenbuch erhältlich. Der Zweiteiler "Die zehnte Generation" ist Herrn Spitzers erste, von vornherein als Buch geplante Geschichte, welche auch unmittelbar den Weg zu einem Verlag fand. Sein Erstlingswerk, die "Melderin - Quadrologie", wollte er zunächst nur als kleine Geschichte für sich schreiben. Nun, noch vor erscheinen des Fortsetzungsbandes, hat der Auftaktband den Weg zu mir gefunden. Die Veröffentlichung des zweiten Bandes ist für Mai 2019 geplant. Hexenverfolgung...  aufspüren, festnehmen, foltern und bestrafen von Personen, von denen geglaubt wird, sie praktizieren Zauberei. Bis vor nicht allzu langer Zeit glaubten die Menschen, dass hexenähnliche Wesen existieren und der Bevölkerung schaden wollen. Regelrechte Hetzjagden begannen und tausende von Menschen verloren dabei ihr Leben. In Michael G. Spitzers Erzählung nahmen tatsächlich magisch begabte Menschen dieses finstere Kapitel der Menschheit zum Anlass, sich zu einer Gemeinschaft zusammenzuschließen und ihre besonderen Fähigkeiten vor allen Unbegabten zu verbergen. Charlotte ist eine Begabte und wird in diese Gemeinschaft, die sich "die Gesellschaft" nennt, aufgenommen. Dort erwarten sie strenge Regeln, veraltete Konventionen und ein vorherbestimmtes Leben. Bleibt ihr etwas anderes übrig als sich zu fügen? 

  
Die 17 Jahre alte Charlotte Shearer geht ihrem achtzehnten Geburtstag entgegen. Sie besucht das College. Auf eine gute Schulbildung legt ihre Mutter großen Wert. Ebenso auf sittsames und tugendhaftes Verhalten. Charlotte darf kaum soziale Kontakte pflegen. Sie muss ihre Erziehung erdulden und ohne Widerworte oder ohne unangemessene Fragen akzeptieren, ansonsten gibt es Konsequenzen. Charlottes Aufgabe ist es, eine gute Partie zu machen, welche nicht nur sie unterhält, sondern auch für den Lebensunterhalt ihrer Mutter aufkommt, denn nach dem Tod des Vaters schrumpfte das Vermögen der Familie und nun leben sie in einfachen Verhältnissen. Bei Charlotte bin ich über etwas gestolpert, dass für mich nicht stimmig war. Auf der einen Seite wirkt sie sehr gedankenvoll, überlegt, vorausschauend und vernünftig. Fast zu erwachsen für ihr junges Alter. Andererseits bezeichnet sie Bekannte, bei denen sie untergebracht wird, als neue Eltern. Die angebotene weibliche Bezugsperson nennt sie innerhalb kürzester Zeit Mum sowie die männliche Schulter zum anlehnen Dad. Wie ein kleines Kind oder ein sehr junges Mädchen. Das fand ich nicht ganz passend, selbst wenn es aufgrund ihrer schrecklichen Mutter oder der Sehnsucht nach elterlicher Wärme passierte, denn dann würde mir der Entwicklungsprozess dorthin fehlen. Dieser kommt eigentlich erst danach. Teilweise erschien Charlotte mir etwas zu wankelmütig, was dann aber wieder zum tatsächlichen Alter passt. Diese subjektiven Eindrücke machten Charlotte aber nicht unecht oder unsympathisch. Ich habe ihren Weg und ihre Entwicklung gerne begleitet, denn diese ist immens. Der Autor hat viele weitere interessante und sehr unterschiedliche Protagonisten an Charlottes Seite gestellt - Sympathische und Unsympathische, Offene und Undurchsichtige, Dominante und Unterwürfige, Freunde und Feinde. 

Der Einstieg in die Erzählung fiel mir zwar nicht richtig schwer, aber auch nicht ganz leicht. Die Geschichte wird in gegenwärtiger Zeitform erzählt. Diese lese ich nicht oft und auch nicht allzu gerne. Es dauert immer eine Weile bis ich mich daran gewöhnt habe. Danach geht es im gewohnten Lesefluß dahin. So auch hier. Zu Anfang erhält der Leser sogleich einen kurzen und erschreckenden Einblick in Charlottes Dasein, der Lebenssituation und dem Verhältnis zu ihrer Mutter. Diesem Leben entkommt Charlotte. Eine vollkommen neue Welt eröffnet sich ihr. Gemeinsam mit Charlotte lernt der Leser die Gesellschaft kennen. Charlotte scheint ihrem Traum von Freiheit und Selbstbestimmung dort kein bisschen näher zu kommen. Schon recht am Anfang fragte ich mich, ob Charlotte nicht vom Regen in die Traufe gewechselt hatte. Ob es letztendlich so war, müsst ihr selber lesen, doch wie schon oben erwähnt gibt es strenge Regeln, veraltete Ansichten, feste Rollenverteilung und Strafen bei Verstoß gegen die Ordnung. Hier gibt es vieles das ein emanzipiertes weibliches Wesen zum Kopfschütteln bringt und es ist nicht verwunderlich das zahlreiche Gefühle zu Tage treten ... Wut, Furcht, Hoffnungslosigkeit, Verzweiflung, Trauer sowie Machtlosigkeit. Dem Negativen steht ein Funken Hoffnung gegenüber, Freundschaft, Verbundenheit, Loyalität und Liebe. Die tragenden Themen der Selbstbestimmung, Freiheit und Gleichstellung hat der Autor gekonnt eingesetzt. Die Spannung baut sich langsam auf und bleibt als neugierig machender Grundtonus stehts vorhanden. Obwohl es eher ruhig dahingeht, steigt die Spannung immer wieder an. Die Erzählung ist emotional und sehr tränenreich ebenso gedankenvoll, aber es gibt auch Action, Kämpfe und Gewalt. Manche Handlungsschritte kann man gut vorausahnen, aber immer wieder gibt es überraschende Wendungen. Herr Spitzer bedient sich einiger Klischees, bewährter Schemata und neuer Ideen. Insgesamt ergibt sich daraus eine sehr ansprechende Mischung. 

Erzählt wird von Charlotte in der Ich Perspektive in gegenwärtiger Zeitform. Eine Erzählweise die von mir nicht bevorzugt gelesen wird, in die ich aber nach einer Weile gut hineingefunden habe. Mit dem Schreibstil des Autors kam ich sehr gut zurecht. Klar, bildhaft, detailreich und flüssig führt er durch die Zeilen. Die Sprache fand ich zur Geschichte passend. Ein, zwei für mich unangenehm hervorstechende Wortwiederholungen sind mir aufgefallen. Das Erzähltempo empfand ich angenehm. 

Fazit: "Zwei Welten - Die zehnte Generation " ist der erste Band einer fantastischen Dilogie von Michael G. Spitzer. Eine Erzählung über Freiheit, Selbstbestimmung und Gleichberechtigung eingewoben in eine fantastische Geschichte, vom Autor emotional, gedankenvoll und tränenreich erzählt. Erkennbare Klischees, erprobte Schemata und neue Ideen ergeben einen besonderen Mix. Ich bin neugierig auf Band 2 und das ist nicht nur dem Cliffhanger am Ende der Story geschuldet. Von mir gibt es sehr gute **** Sterne.  

Zitat

"Diese Gesellschaft und ihre Regeln stehen für eine Zeit, die längst vergangen ist. Und der Rat tut alles, um diese Zeit auch nach Jahrhunderten ihres Auslaufens bis in eine Zukunft zu tragen, die längst nicht mehr existiert." 
( Seite 546 ) 

Reihe

Band 1: Zwei Welten - Die zehnte Generation 
Band 2: Der Ursprung - Die zehnte Generation (voraussichtlich Mai 2019)