Rezension

Stück für Stück

Krokodilwächter
von Katrine Engberg

Bewertet mit 4 Sternen

Was ist ein Krokodilwächter? Ein kleiner Vogel, der zwischen den Zähnen von Krokodilen nach Nahrung sucht und damit das Krokodilmaul reinigt. Was hat so ein Vogel mit einem in Kopenhagen begangenen Gewaltverbrechen zu tun?

Eine junge Frau wird tot aufgefunden. Ermordet und mit Schnitten im Gesicht. Für die Ermittler Jeppe Kørner und Anette Werner ergibt sich zunächst keine heiße Spur, bis die Vermieterin der getöteten jungen Frau zugibt, den Mord so in einem Romanmanuskript beschrieben zu haben. Verständlich, dass man sie verdächtigt, den Mord nicht nur beschrieben, sondern auch begangen zu haben. Allerdings wird nach und nach deutlich, dass mehrere Personen Zugang zum Manuskript hatten und es mehr Verdächtige gibt, als man angenommen hat.

Katrine Engberg führt ihr Ermittlerteam und damit auch den Leser immer wieder in die Irre. Das liegt nicht zuletzt an dem beiläufigen Detailreichtum mit dem die Geschichte gespickt ist. Diese Details sind nicht sofort offensichtlich und lassen sich an manchen Stellen leicht übersehen, für die Entwicklung der Geschichte sind sie aber nicht ganz unwichtig. Auch das Romanmanuskript ist für die Handlung von Bedeutung. Immer wieder streut die Autorin ein bis zwei Seiten lange Passagen daraus ein. Zusammen mit den Informationen aus der Haupthandlung findet man bereits nach kurzer Zeit Parallelen zwischen der Protagonistin aus dem Manuskript und der ermordeten jungen Frau. Deuten lassen sich diese jedoch erst nach und nach. Interessant ist hier vor allem die Erzählerperspektive. Der Erzähler im Romanmanuskript ist ein allwissender. Vor dem Hintergrund des Mordes wirkt das Manuskript dadurch nahezu wie der Bericht eines Stalkers, was der Geschichte ein Element des Schauers verleiht.

Der Titel „Krokodilwächter“ passt ausgezeichnet zu der Art und Weise wie die Autorin ihr Ermittlerteam den Fall lösen lässt. Stück für Stück, so wie auch der Vogel Stück für Stück zwischen den Krokodilszähnen herauspickt, offenbaren sich die Hinweise zur Lösung des Falls. Andererseits lebt der Krokodilwächter auch gefährlich, ein zugeklapptes Maul könnte sein Ende bedeuten. Eine unbedachte Handlung der Polizei könnte aber auch den Ermittlungserfolg kosten. Anspielungen auf die Lösung des Falls gibt es von Anfang an, allerdings lässt sich erst fast ganz zum Schluss das Puzzle auch zusammensetzen. Auch die genaue Bedeutung des Krokodilwächters wird am Ende aufgeklärt, doch die Symbiose zwischen Krokodil und Vogel lässt sich als Metapher auf mehr als ein Element des Thrillers anwenden. Katrine Engberg ist somit ein spannender Roman gelungen, der seine Geheimnisse nicht vorzeitig preisgibt.