Rezension

Stümperhafte Vergangenheitsbewältigung...

1965 - Der erste Fall für Thomas Engel - Thomas Christos

1965 - Der erste Fall für Thomas Engel
von Thomas Christos

Bewertet mit 1.5 Sternen

Düsseldorf, 1965: Für den jungen Kommissar Thomas Engel ist die Stadt am Rhein der verheißungsvolle Beginn eines neues Lebens. Als er zum ersten Mal ein Konzert der Rolling Stones sieht, gibt es für ihn kein Weg zurück, die Provinz liegt weit hinter ihm. Er stürzt sich in das Leben und in seine Arbeit, die ihm gleich einen spannenden Fall beschert. Ein junges Mädchen wird in der Ruine Kaiserswerth tot aufgefunden. Engel versteht nicht, dass seine Kollegen nicht gleich die Spur verfolgen, die geradewegs in die dunklen 1930er Jahre führt. Versucht man etwas vor ihm zu verheimlichen, und warum will niemand sehen, was so offensichtlich auf der Hand liegt? 

Gleich auf den ersten Seiten des Buches stößt der Leser auf Thomas Engel. Er lebt noch bei seinen Eltern am ländlichen Niederrhein und freut sich, endlich seinem spießigen Elternhaus entkommen zu können. Zum Glück unterstützt ihn dabei ein guter Freund seines Vaters, der Thomas schließlich nach Düsseldorf holt, nachdem dieser seine Polizeiausbildung absolviert hat.

Anfangs wirkt Thomas in der Großstadt vollkommen fehl am Platz. Ohne es zu wollen, verfällt er in die spießigen Verhaltensweisen seines Vaters, trägt dessen Anzüge auf, verhält sich überkorrekt und will sich profilieren. All dies ohne eine wirkliche Ahnung vom Polizistendasein zu haben. Würde der Freund seines Vaters nicht seine Hand über ihn halten, hätte Thomas bei seinen erfahrenen Kollegen wohl nichts zu lachen.

Man kann Thomas nicht vorwerfen, dass er nicht lernen und irgendwie auch dazu gehören will. Aber die Art seines Vorgehens und seines Hinterfragens stellen ihn ein ums andere Mal als das bloß, was er eben ist: ein Landei. Die Art Fragen zu stellen erinnert oft genug zudem an 'Die Sendung mit der Maus', wozu auch der übrige meist recht einfache Schreibstil gut passt. Viele Passagen muteten tatsächlich eher wie ein Jugendbuch an denn wie der angekündigte Krimi.

Als Thomas eine minderjährige Ausreißerin kennenlernt und sich in diese verliebt, vollzieht er plötzlich eine Wendung um 180°. Jeans und Pilzkopffrisur bieten die passende Fassade seiner nun ab sofort kritischen und rebellischen Haltung. Seinem Gönner und Mäzen - dem Freund seines Vaters - zeigt er ein ums andere Mal (indirekt) den Mittelfinger und auch sonst stellt Thomas sich immer wieder quer.

Dumm nur, dass man dem jungen Polizisten diese Haltung überhaupt nicht abkaufen kann. Als Charakter war er vorher schon unglaubwürdig angelegt, nun aber entwickelt er nach und nach Qualitäten, die punktuell schon an einen Superhelden denken lassen. Überhaupt die Charaktere: Thomas Christos hat sie überaus plakativ und eindimensional angelegt. Freunde des Schwarz-Weiß-Denkens werden hier auf ihre Kosten kommen.

Darunter leidet auch, was sich eigentlich als Thema für einen Krimi gut geeignet hätte. Vordergründig geht es um einen Mörder, der kleine Mädchen schändet und erwürgt. Thomas entdeckt, dass es 1939 bereits einen identischen Fall gegeben hat, woraus sich vielleicht neue Anhaltspunkte ergeben könnten. Doch Vorgesetzte und Kollegen wischen diese mögliche Parallele beiseite, und Thomas entdeckt bald, dass da gewaltig manipuliert wird von Seiten der Polizisten.

Und damit kommt der Autor zu dem Thema, um das es hier in Wirklichkeit vor allem geht: Gräueltaten während des Zweiten Weltkriegs. Die Idee fand ich wirklich gut. Wer sich schon einmal ein wenig mit der Thematik befasst hat, wird wissen, dass auch nach dem Krieg keine kollektive Gehirnwäsche stattgefunden hat, dass nicht alle wichtigen Posten plötzlich mit Menschen besetzt wurden, die nicht zumindest Mitläufer des Naziregimes waren.

So verwundert es auch nicht, dass 1965 noch nicht alle Spuren braunen Gedankenguts verschwunden waren und dass auch bei der Polizei Männer arbeiteten, die u.U. auf eine recht braune Vergangenheit zurückblicken konnten. Aber sicher nicht alle, wie der Autor hier glauben machen will, und ganz gewiss nicht durchweg so platt, wie er es hier darstellt.

Durch die plakative Charakterzeichnung vergibt der Autor zudem die Chance, sich wirklich gedanklich mit der Thematik auseinanderzusetzen. Alle Menschen xy sind böse, kein Gedanke wird daran verschwendet, wie jemand womöglich zum Mitläufer wurde - hier erscheint eine ganze Generation entweder als (ehemaliges) Opfer oder aber als (andauernder) Täter.  So erlebte ich dieses Buch nicht als eine ernsthafte Vergangenheitsbewältigung, sondern als ein stümperhaftes Trittbrettfahren bei einem nach wie vor aktuellen Thema. Schade. Sehr schade.

Da muss ein Landei wie Thomas daher kommen und mal so richtig aufräumen. Auf seine (zugegeben konsequent) stümperhafte Art, die in der Realität gar nichts bewirken würde. Unglaubhaft versucht er es oft mit der Methode 'mit dem Kopf durch die Wand', wird dabei auch ein ums andere Mal ausgebremst, steht dann trotzig auf, stampft mit dem Fuß auf - und versucht es im Grunde gleich wieder so. Wenn ihm Kommissar Zufall dabei nicht immer wieder unter die Arme greifen würde, wäre hier wohl einiges im Sande verlaufen.

Man könnte Thomas Christos nun zugute halten, dass er als Drehbuchautor normalerweise andere Texte schreibt und ihm die Form eines Krimiinalromans womöglich nicht so geübt von der Hand geht. Aber bei einem unglaubhaften Plot, flachen und eindimensionalen Charakteren, reinem Klischeedenken, unglaubwürdigen Handlungselementen und einem wenig mitreißenden Schreibstil komme ich leider zu der Gesamtbeurteilung: Thema verfehlt.

Schon lange nicht habe ich mich so sehr über ein Buch geärgert. Bis auf die eigentliche Idee konnte mich hier leider nichts überzeugen. Für Thomas Engel womöglich sein erster Fall. Für mich definitiv sein letzter...

 

© Parden