Rezension

Suchtfaktor Gut Greifenau

Gut Greifenau - Nachtfeuer - Hanna Caspian

Gut Greifenau - Nachtfeuer
von Hanna Caspian

Bewertet mit 5 Sternen

1914. Mit Beginn des Ersten Weltkrieges müssen sowohl Konstantin als auch Nikolaus an die Front rücken, während das Gut in den Händen von Konstantins Vaters bleibt und auch eine Aussöhnung mit Rebecca nicht stattgefunden hat. Leider hat Graf Adolphis kein Händchen für die Führung des Gutes, und schon bald türmen sich die Schulden. Deshalb gibt es keinen anderen Ausweg, als Katharina schnellstmöglich mit Ludwig von Preußen, dem Kaiserneffen, zu verheiraten. Katharina dagegen hofft immer noch auf die Rückkehr von Julius, um dem verhassten Ludwig und der Eheschließung zu entgehen. Auch Kutscher Albert ist weiterhin auf der Suche nach seinen Eltern und als er diese schließlich ausfindig macht, ist die Überraschung perfekt, denn diese Neuigkeit eröffnet völlig neue Perspektiven…

Hanna Caspian hat mit ihrem Buch „Gut Greifenau – Nachfeuer“ den zweiten Teil ihrer Greifenau-Trilogie vorgelegt, die den ersten Band an Spannung, Verwicklungen und Überraschungen noch übertrifft. Der Schreibstil ist flüssig, bildhaft und detailreich, schnell lässt sich der Leser in die Seiten saugen und Gut Greifenau erneut einen Besuch abstatten, wobei man sich nun dort schon recht heimisch fühlt zwischen all den Bediensteten und den adligen Herrschaften. Unsichtbar und doch nicht unbeteiligt verfolgt der Leser das Treiben der einzelnen Gutsbewohner, die mit Anbeginn des Krieges so einiges an Ängsten und Entbehrungen in Kauf nehmen müssen, was andere wiederum nicht wahrhaben wollen und die Augen davor verschließen. Der Autorin gelingt es scheinbar mühelos, Historie mit Fiktion zu verweben und dem Leser nicht nur ein anschauliches Bild der damaligen Lebensumstände zu vermitteln, sondern auch die vielen Fallstricke aus Intrigen, Geheimnissen und Lügen wunderbar miteinander zu verstricken, so dass der Spannungsbogen nicht eine Sekunde lang abreißt, und der Leser regelrecht an den Seiten klebt. Aus wechselnden Perspektiven erhält der Leser ein wunderbares Bild sowohl hinter als auch vor den Kulissen und leidet, hofft und bangt mit den Protagonisten, als wäre er ebenso Teil der Familie. Der Knall am Schluss lässt nur einen Wunsch offen: Band 3 – wann kommst du?

Mit besonderer Liebe zum Detail wurden die Charaktere weiter ausgestaltet und erleben durchweg alle eine Entwicklung in ihrem Lebenslauf. Sie wirken greifbar, menschlich, lebensnah, aber auch abgehoben, unerbittlich oder unversöhnlich. Der Leser hat eine bunte Palette an Protagonisten, denen er seine Sympathie schenken kann, aber es gibt auch diejenigen, denen man die Pest an den Leib wünscht. Katharina ist nicht zu beneiden, denn sie soll das Bauernopfer sein, um die finanzielle Not der Familie zu lindern. Ludwig ist ein ekelhaftes Scheusal, dem man die gerechte Strafe wünscht. Konstantin sehnt sich nach Rebecca, die aber ist immer noch unversöhnlich. Adolphis ist ein Fehlgriff für die Gutsführung, sein Vergnügen sucht er außerhalb seines Hauses, was wohl auch mit zu den finanziellen Nöten der Familie führt. Feodora ist unbestritten eine Ignorantin erster Stunde und immer noch unerbittlich. Albert hegt sein Geheimnis und treibt die Spurensuche voran. Clara ist zu bedauern, sie trifft es besonders hart. Ebenso wichtig sind auch alle anderen Bewohner für das schöne Gesamtbild der Handlung.

„Gut Greifenau – Nachtfeuer“ ist ein sehr gelungener, vielschichtiger  und hochspannender Roman mit vielen Verwicklungen, menschlichen Abgründen sowie den normalen Ängsten, Nöten, Träumen und Wünschen aller Bewohner, die das Gut zum Leben erwecken. Wunderbar lebendig erzählt und mit hohem Suchtpotential! Eine verdiente absolute Leseempfehlung!