Rezension

Süß, aber nicht wirklich notwendig

Ein ganz neues Leben
von Jojo Moyes

Bewertet mit 3.5 Sternen

Als Fortsetzung nicht wirklich nötig, als Buch an sich zu kitschig

Inhalt

Warnung: Diese Rezension enthält Hinweise auf den Ausgang des ersten Teils ("Ein ganzes halbes Jahr").

18 Monate ist es her und noch immer hat Louisa Wills Tod nicht überwunden. Sie schleppt sich durchs Leben mit einem miesen Job in einer Bar am Flughafen und ohne eine wirkliche Motivation im Leben.
Als sie einen schweren Unfall hat, glauben ihre Eltern sogar, sie habe sich das Leben nehmen wollen, und schicken sie in eine Selbsthilfegruppe.
Doch dann ändert sich eines Tages alles schlagartig, als plötzlich ein Mädchen vor ihrer Tür steht und behauptet, Wills Tochter zu sein.

Meinung

Von "Ein ganzes halbes Jahr" war ich absolut begeistert. Es hat mich wirklich mitgenommen und zu Tränen gerührt und ist eines meiner Lieblingsbücher geworden.
Umso misstrauischer war ich, als ich erfuhr, dass Jojo Moyes eine Fortsetzung geschrieben hat. Eine Fortsetzung zu einem Buch, dessen Geschichte am Ende eigentlich mit dem Tod einer der Hauptfiguren zu Ende erzählt war?
Nun ja, da mir das Buch empfohlen wurde und ich neugierig war, habe ich mich trotzdem darangewagt und ich kann zwar nicht behaupten, enttäuscht zu sein, aber Fans sollten auch keinen Roman in der Qualität von "Ein ganzes halbes Jahr" erwarten.

Große Teile von "Ein ganz neues Leben" drehen sich um Lous Umgang mit Wills Tod und zwar sowohl mit ihren Gefühlen als auch den Reaktionen anderer Menschen auf ihre Beteiligung an seinem Tod. Es wird sehr deutlich, wie sehr die Ereignisse aus "Ein ganzes halbes Jahr" Lou als Menschen verändert haben, aber auch, welche Auswirkungen sie auf andere Figuren wie beispielsweise Wills Eltern hatten.
Wie bereits im ersten Band angedeutet, hat Wills Entscheidung zu sterben einige Kontroversen ausgelöst, doch vor allem hat sie Lou sämtliche Lebensfreude genommen. Sie trägt ihre lustigen, bunten Sachen nicht mehr und ist nicht mehr halb so tollpatschig-liebenswürdig, wie man sie in Erinnerung hat. Im Grunde lebt sie ihr Leben nur vor sich hin und ein wichtiger Aspekt des Buches besteht darin, dass Lou lernt, das Leben weiterzuleben, neue Bekanntschaften zu schließen und nach vorne zu blicken.
Wirklich überzeugt hat mich der Roman als Buch über den Umgang mit Tod und Trauer jedoch nicht, denn viele Fragen, deren Thematisierung ich erwartet hätte, werden eigentlich nur in den kurzen Szenen angesprochen, wenn Louisa in ihrer Selbsthilfegruppe ist, beispielsweise: "Hätte ich Will irgendwie davon abhalten können?".
Auch die Kontroversen um die Frage, ob man jemanden beim Sterben helfen darf, werden nur kurz angerissen, obwohl sie eigentlich sehr interessant gewesen wären.

Einen weitaus größeren Teil der Geschichte nimmt Lily ein, Wills Tochter, von der er zu Lebzeiten nie etwas gewusst hat. Lily ist ein schwieriger Teenager, die mit ihrer Mutter und ihrem Stiefvater nicht wirklich klarkommt und sich daher auf die Suche nach ihrem biologischen Vater gemacht hat, nur um festzustellen, dass dieser bereits tot ist. Lou, mit ihrem großen Herzen, nimmt Lily bei sich auf und versucht, Kontakt zu Wills Eltern herzustellen, und von nun an ist Lily ihr kleiner Schützling und das Buch mutiert eher zum kitschigen Familiendrama und hat nur noch begrenzt mit Wills Tod oder überhaupt mit "Ein ganzes halbes Jahr zu tun".
Zudem hatte ich den Eindruck, dass durch Lilys Auftauchen geschickt das Problem gelöst wird, dass Louisa bereits im ersten Teil hatte: ihr mangelnder Ehrgeiz etwas aus ihrem Leben zu machen. Sobald sie Lily hat, um die sie sich kümmern muss, hat sie wieder eine wunderbare Ausrede und am Ende löst sie ihr Problem auf einmal im Handumdrehen - das ging mir etwas zu schnell.

Vielleicht liegt es daran, dass es schon eine Weile her ist, dass ich den ersten Teil gelesen habe, aber mir hat in diesem Teil die Magie der Figuren gefehlt, selbst die von Lou und Will, wenn sie über ihn redet oder an ihn denkt. Die Geschichte hat mich nicht zum Lachen und nicht zum Weinen gebracht und einfach längst nicht so berührt wie der erste Teil. Sie ist keinesfalls schlecht, hätte aber genauso gut unabhängig von Band 1 stehen und eine gewöhnliche Familiengeschichte sein können.
Eventuell wird hier auch einfach zu viel versucht: Es wird zwanghaft eine neue Verbindung zu Will gesucht, um auch dessen Familie nochmal auftauchen zu lassen; es wird versucht, für Louisa eine neue Liebesgeschichte zu schreiben und gleichzeitig kommen auch Lous Eltern noch in eine Ehekrise.
Insgesamt hatte ich den Eindruck, die Autorin habe einfach nochmal den ganzen Topf an Figuren ordentlich aufmischen wollen, um ein weiteres Buch zu schreiben, doch darauf hätte ich persönlich, besonders bei dem recht kitschigen und gezwungen wirkenden Ende, gut verzichten können.
Ich mochte die Figuren aus "Ein ganzes halbes Jahr" wegen ihrer Einzigartigkeit und Schrulligkeit und mag sie und auch die neuen Figuren immer noch, aber es hat für mich einfach nicht gereicht, um "Ein ganz neues Leben" zu einem herausragenden Buch zu machen.

Fazit

Die Geschichte ist ein sehr süßes, wenn auch rührseliges und kitschiges Familiendrama und die schrulligen und originellen Figuren habe ich auch immer noch sehr gern, doch ich hätte auf diese Fortsetzung gut verzichten können, da sie an einigen Stellen doch sehr gewollt wirkt und nicht wirklich würdig an "Ein ganzes halbes Jahr" anknüpft. Ich vergebe 3,5 Sterne.