Suna - Eine Suche nach dem eigenen Ich.
Als ich begann, die Sprache meines Vaters zu lernen, ist sie in mich hineingerutscht, als würden Dinge und Wörter, Bilder und Töne nur zurück an ihren Platz rücken."
Das ist ein Satz aus den Erzählungen, mit denen die junge Mutter Luisa Nacht für Nacht versucht, ihr schlafloses Kind zur Ruhe zu bringen. Es ist die Schilderung ihres eigenen Lebens, das inmitten einer Familie stattfand, deren Mitglieder den verschiedensten Nationalitäten angehörten, Menschen, die einmal vom Schicksal einander entgegengetrieben und von der Liebe miteinander verbunden wurden, aber auch durch Verkettung unglücklicher Umstände einander wieder verloren gingen. So schaffte es Luisa nie, die für ihr Leben so wichtigen Wurzeln zu bilden, die Halt und Sicherheit geben, die es ermöglichen, sich eine eigene Mitte zu schaffen, aus der Kraft und Ruhe erwachsen. Und wenn sie selbst wie ein auf dem Wasser treibendes Blatt den Gezeiten ihres Schicksals nichts entgegenzusetzen hat, wie könnte sie es schaffen, dem Kind das Rüstzeug für eine Lebensbewältigung mitzugeben, wenn das Gefühl "nirgendwo ist Heimat" der Begleiter ist? Nur im Eintauchen in die eigene Vergangenheit und in der Hinwendung zu ihren eigenen Wurzeln liegt die Hoffnung auf eine klare, bewußte Zukunft, in der dann auch, wie sie selbst sagt, "die Dinge liegen, die aus der Heimat der Seele kommen".
Pia Ziefle hat einen wunderbaren Roman geschrieben, der mit leisen, einfühlsamen Tönen an die Seele des Lesers rührt.
Sie spricht über eine Suche , die über verschiedene Kulturen, Sprachen und Gedanken hinweg dorthin führt, wo man Verwandtes, Vertrautes, vom Schicksal Bestimmtes wieder trifft und ein Echo hört, das den Klang der eigenen Töne bestätigt.
Mit sehr schöner Sprache und fesselnder Inständigkeit versteht es die Autorin, den Leser mit zu nehmen in diese Familiengeschichte, die sich farbig und vielfältig zeigt, aber auch die Gefahr des Verlorenseins in sich birgt.
Das Buch ist ein herausragendes Leseerlebnis, dem ich gerne die volle Sternenzahl mit auf den Weg gebe.