Rezension

Super Dystopie gefälligst?

Breathe - Gefangen unter Glas - Sarah Crossan

Breathe - Gefangen unter Glas
von Sarah Crossan

Bewertet mit 5 Sternen

Der Welt ist der Sauerstoff ausgegangen, seit dem sogenannten Switch. Fast die komplette Weltbevölkerung ist dabei gestorben. Das die Menschheit noch nicht vollkommen ausgestorben ist, ist der Firma BREATHE zu verdanken. Sie erbauten gläserne Kuppeln in denen die Menschen fortan lebten.
Bea ist in einer dieser Kuppeln aufgewachsen und gehört zu den Seconds – jener Bevölkerungsschicht, die sich keinen extra Sauerstoff leisten können, um Sport zu treiben oder anderen Tätigkeiten nachgehen zu können, die einen hohen Anteil an Sauerstoff verbrauchen. Das ganze Gegenteil ist ihr bester Freund Quinn, der zu den Premiuns gehört. Er kann sich so viel Sauerstoff leisten, wie er benötigt und ist auch großzügig gegenüber Bea. So ermöglicht Quinn ihr zum ersten Mal die Kuppel zu verlassen. Zwei volle Tage Camping im Ödland sind geplant und Bea hofft einmal mehr, Quinn endlich näher zu kommen, in den sie seit langer Zeit schon verliebt ist. Quinn scheint in ihr aber nicht mehr zu sehen als eine Freundin. Vielmehr hat er ein Auge auf Alina geworfen. Deshalb wirft Quinn sich sofort in die Presche, um ihr bei der Flucht aus der Kuppel zu helfen. Denn Alina gehört zu den Rebellen, die versuchen die Welt wieder mit Bäumen zu bepflanzen, um irgendwann wieder ein Leben außerhalb der Kuppel zu ermöglichen. Das erfahren Bea und Quinn erst nach und nach. Auch das BREATHE die Menschen mehr kontrolliert als es den Anschein hat.

„Atmen ist ein Grundrecht, kein Privileg. Und ich will nichts anderes, als dieses Grundrecht, das uns genommen wurde, zurückerobern.“ S. 11

Eine durchaus realistische Zukunft. Eine Regierung, die die Menschen kontrolliert ohne dass sie es wirklich bemerken. Rebellen die gegen dieses Regime kämpfen. Eine Protagonistin die die Seiten wechselt. Eine Dreiecksbeziehung in Sachen Liebe.
Diese Beschreibung passt auf so viele Dystopien. Für ein neues Buch mit identischen Zutaten, ist es schwer bei den Lesern zu punkten. Nicht nur weil sie viel Vergleiche ziehen können. Trotzdem ist es Sarah Crossan eine Dystopie gelungen, die weitaus besser ist als seine Vettern. Selbe Zutaten, aber anders zubereitet.

Zutat Numero 1:
Die meisten Zukunftsversionen in den verschiedensten Dystopien sind absolut plausible und glaubwürdig. Doch keine ging mir so nah, ist so fassbar geworden, wie der des Sauerstoffmangels. Denn es ist Fakt das wir Menschen die Erde absolut herunterwirtschaften und viel zu wenig gegen den, nennen ichs mal, Zerfall tun. Kein Weltkrieg, kein technischer Fortschritt aus anderen Romanen kann da mithalten, weil das noch weit weg erscheint, es noch viel mehr braucht bis etwas in dieser Richtung geschieht, wodurch es auch schwerer vorstellbar ist. Doch das der Sauerstoffgehalt rapide sinkt u.a. wegen zu wenig/keine Pflanzen ist für mich viel greifbarer und macht das Buch so erschreckend realistisch.

„Nichts wurde geschont, weder die Bäume noch die Erde. […]Wir denken immer, wir hätten Zeit. Haben wir aber nicht. Hatten wir auch damals nicht.“ S. 111/112

Zutat Numero 2:

Die Dreicksbeziehungen hängen mir zum Hals raus. Im jeden Buch scheinen sie vorzukommen und kommen mir manchmal vor wie ein ungebetener Wurm in einem Apfel. Vor allem bezieht sich das natürlich auf die schlecht ausgearbeiteten Dreicksbeziehungen. Wie es mit der Konstellation Bea-Quinn-Alina endet, war für mich ziemlich offensichtlich. Und doch hatte sie ihren Reiz. Das lag erst einmal daran, dass nicht zwei Kerle hinter der Protagonistin her waren, sondern, dass jeder einzelne auf jemand anderen stand. So konnte jeder mit seinem Lieblingscharakter ein wenig mitleiden.
Dieser Geschichtsstrang wird hauptsächlich von Bea getragen. Eine einseitige Sandkastenliebe. Und ich habe mir so sehr gewünscht, das Quinn endlich mal die Augen öffnet und sieht was er an ihr hat. Denn Bea leidet immer wieder in den allerkleinsten Momenten unter ihren Gefühlen. Sie schwärmt nicht dauernd davon, wie sexy Quinn aussieht oder wie toll er ist. Vor allem durch ihre Sehnsucht nach ihm wird dem Leser klar, das Bea wahrhaftige Gefühle für ihn hegt.

„Ich glaub, ich hab einen Herzinfarkt“, keuche ich. Sofort kniet sich Old Watson neben mich und versucht, mich aufzurichten.
„Nein, du hast keinen Herzinfarkt, du hast ein gebrochenes Herz.“ S. 412

Zutat Numero 3:
Die Charaktere. Oder sollte ich besser Bea sagen? Ich gestehe, ich habe einen Narren an ihr gefressen. Obwohl ich seit der Leseprobe erst Alina im Blick hatte – eine kämpferischer Wirbelwind, die nicht so schnell klein beigibt. Doch nach und nach habe ich bemerkt, wer der mutige Held in der Geschichte ist. Nämlich Bea. Denn sie geht diesen Konflikt auf ihre Weise an. Sie ist kein Mädchen das sich in eine Superkampfmaschine verwandelt. Sie bleibt ruhig, hält an ihren Werten fest, versucht das Richtige zu tun und setzt sich für andere ein, die Hilfe benötigen. Und sie denkt nach, sie hinterfragt. Bea sieht, das die Rebellen vielleicht zu den Guten gehören, aber auch die Unbarmherzigkeit die die Rebellen an den Tag legen, um ihre Sache zu beschützen.
Quinn ist ein guter Kerl. Er bringt die Leichtigkeit, die Unbeschwertheit, ein Schmunzeln mit ins Buch. Von allen macht er die größte Veränderung durch.
Und aus diesen drei Sichten wird das komplette Buch geschildert – aus der eines Premiuns, einer Second und einer Rebellin. Das gibt der Geschichte noch eine gewisse Würze, weil Bea, Quinn und Alina mit fast denselben Problemen konfrontiert werden und es doch für jeden unterschiedliche Konsequenzen bedeuteten. Dadurch fieberte ich mit allen Hauptfiguren mit und Verstand jede einzelne Sichtweise.

„Es ist schon eigenartig, dass es Alina in keiner Weise zu interessieren scheint, ob die Welt vor dem Switch hässlich und ungerecht war oder nicht. Eine Welt mit atembarer Luft, das ist für sie der Idealzustand, und für dessen Wiederherstellung kämpft sie. Unbeirrt. Falls diese alte Welt nun aber doch nicht so perfekt war, wie Alina sie sich vorstellt würde das ihren gesamten Kampf infrage stellen.“ S. 227

„Breathe – Gefangen unter Glas“ überrascht, kritisiert, berührt, erhöht den Puls, prägt, lässt mit fiebern. Es ist noch so viel mehr, so viele Kleinigkeiten die mich begeistert haben und die das Buch so phänomenal machen.