Rezension

Sympathischer, faszinierender Klassiker

Sherlock Holmes: Eine Studie in Scharlachrot - Arthur Conan Doyle

Sherlock Holmes: Eine Studie in Scharlachrot
von Arthur Conan Doyle

Klappentext:
Eine Studie in Scharlachrot erzählt von der ersten Begegnung zwischen Sherlock Holmes und Dr. Watson sowie ihrem ersten gemeinsamen Fall. Auf der Suche nach einer Unterkunft in London trifft Dr. Watson den „beratenden Detektiv“ Sherlock Holmes, und sie beziehen gemeinsam eine Wohnung. Holmes‘ exzentrische Art und seine geheimnisvolle Tätigkeit wecken Watsons Neugier. Kein Wunder also, dass er seinen neuen Freund bei dessen nächsten Auftrag begleitet. In einem verlassenen Haus wurde die unversehrte Leiche eines Amerikaners gefunden. An der Wand des Zimmers steht, mit Blut geschrieben, das deutsche Wort „Rache“. Trotz vieler Ungereimtheiten kommt Sherlock Holmes dem Mörder schon bald auf die Schliche.

Einordnung:
- Eine Studie in Scharlachrot (Roman Nummer 1)
- Das Zeichen der Vier (Roman Nummer 2)
- Die Abenteuer des Sherlock Holmes (Kurzgeschichten Band 1)
- Die Memoiren des Sherlock Holmes (Kurzgeschichten Band 2)
- Der Hund von Baskerville (Roman Nummer 3)
- Die Rückkehr des Sherlock Holmes (Kurzgeschichten Band 3)
- Das Tal der Angst (Roman Nummer 4)
- Seine Abschiedsvorstellung (Kurzgeschichten Band 4)
- Sherlock Holmes' Buch der Fälle (Kurzgeschichten Band 5)

Rezension:
Der Einstieg in die Geschichte fällt sehr leicht, da zunächst Dr. John H. Watsons Vergangenheit bei der Armee dargestellt wird. Seine Rückkehr nach London verdankt er einer Typhus-Erkrankung, die ihn kurz nach seiner Genesung von einer Schusswunde erlitten hat. Derart geschwächt versinkt er zunächst in Melancholie, bevor er neuen Lebensmut fasst und beschließt, seinem Leben wieder einen Sinn zu geben und nicht länger über seinen Möglichkeiten zu leben. In diesem Zustand trifft er auf einen alten Freund, Stamford, der einen jungen Mann kennt, der ebenfalls auf der Suche nach einer bezahlbaren Unterkunft ist – Mr. Sherlock Holmes.
Bei seinem ersten Auftritt ist Sherlock gerade außer sich vor Freude, weil er eine eindeutige Möglichkeit entwickelt hat, sowohl alte als auch frische Blutflecke als solche zu identifizieren. Schon das zeugt von der ungewöhnlichen Intelligenz des Studenten, denn eine solche Methode ist ein großer wissenschaftlicher Fortschritt im Jahre 1880, besonders für die Kriminologie. Auch im weiteren Verlauf stellt John Watson, über dessen Journal der Leser das Geschehen verfolgt, immer wieder Sherlocks umfassende Kenntnisse in bestimmten Bereichen dar, während deutliche Lücken in andern Gebieten auftreten. So verfügt er beispielsweise über keinerlei Wissen bezüglich des Aufbaus des Sonnensystems.
Besonders die Begründung für diese Lücken in seiner Allgemeinbildung hat mir gefallen. Er beschreibt das Gehirn als eine Dachkammer, die jeder Mensch mit Möbeln versehen muss. Die meisten, gewöhnlichen Menschen nehmen alles mit hinein und finden das notwendige Wissen zwischen all den überflüssigen Sachen nicht wieder. Sie sind dem Irrglauben verfallen, die Kammer hätte elastische Wände. Dagegen selektiert Sherlock sein Wissen sehr sorgfältig und speichert nur diejenigen Informationen, die ihm bei seiner Arbeit helfen.
Ein Großteil der ersten Kapitel dreht sich um Johns Versuche, Sherlock zu enträtseln. Er beobachtet ihn genau und erstellt sogar eine Liste mit Sherlocks Fähigkeiten und Kenntnissen, um seinen Beruf zu erraten, da seine Studien im chemischen Labor offenbar rein der Befriedigung der eigenen Neugierde dienen. Obwohl natürlich bekannt ist, dass Sherlock Holmes ein Detektiv ist, ist es dennoch spannend, mehr über seinen Charakter zu erfahren. Er ist sehr von sich eingenommen und auf eine gewisse Weise schon überaus arrogant, doch seine manchmal fast kindliche Freude macht ihn trotz allem sympathisch. Mehr als einmal musste ich mit ihm lachen, wenn die Polizeidetektive Lestrade und Gregson zu intelligenten Schlussfolgerungen gelangt sind, Sherlock diese jedoch unter taktlosem Gelächter vollständig auseinander nimmt.
Die Deduktionen, die Sherlock im Laufe des Falls macht, sind wirklich faszinierend. Das liegt unter anderem an der Tatsache, dass immer zunächst die Erkenntnisse benannt werden und die Ergebnisse, zu denen er gekommen ist. Während man sich als Leser noch überlegt, wie er zu dieser Schlussfolgerung gekommen ist, klärt er den ebenso ahnungslosen Dr. Watson in einem mehrere Seiten langen Monolog über die einzelnen Schritte auf, die dadurch plötzlich erstaunlich nachvollziehbar erscheinen.
Ebenfalls gut gefallen hat mir, dass in Teil II die komplette Hintergrundgeschichte des Mordes erzählt wird. Anfangs war ich sehr verwirrt, worum es geht, da das Setting gewechselt hat, die Zeit offenbar auch und auch keine bekannten Namen mehr auftauchten. Im Laufe der Erzählung wurde dann aber deutlich, worum es geht. So artet das Geständnis nicht in einen langen Monolog aus, sondern ist interaktiver gestaltet.

Fazit:
Sherlock Holmes ist wirklich ein außergewöhnlicher Detektiv, der deutlich beweist, wie nah Genie und Wahnsinn beieinander liegen. Der erste Fall, den er zusammen mit John löst, ist nicht nur interessant, sondern auch in allen Einzelheiten beschrieben. Obwohl er ziemlich egozentrisch ist, ist mir Sherlock sofort ans Herz gewachsen. Seine Ausführungen zum Gedächtnis faszinieren mich ebenso wie seine Deduktionen. Daher bekommt „Sherlock Holmes: Eine Studie in Scharlachrot“ von mir fünf Schreibfedern.