Rezension

Tage im Juni

Die Toten vom Gare d’Austerlitz -

Die Toten vom Gare d’Austerlitz
von Chris Lloyd

Bewertet mit 4.5 Sternen

Der 14. Juni 1940 markiert für Inspektor Giral wie für alle anderen Franzosen einen Wendepunkt, denn Paris wird von den Nazis eingenommen. Dabei hätte Eddie genug zu tun, denn er muss den Mord an gleich vier Personen aufklären. Die Ermittlungen werden zusehends haarig, denn seine Autorität wird von den Besatzern beschnitten, Nachforschungen erschwert, sein Leben bedroht. Keine leichte Aufgabe, die da vor ihm liegt.
Lloyds Krimi spielt sich innerhalb weniger entscheidender Tage ab, er ist neben der fiktiven Kriminalhandlung auch ein gut recherchierter historischer Roman. Die Hintergründe dieser ersten Tage unter der Hakenkreuzfahne werden wie nebenbei von allen Seiten beleuchtet, die Auswirkungen sind sehr vielschichtig; der eine hängt sein Fähnchen in den Wind, der andere sieht trotz recht friedlicher Stimmung gar keinen Ausweg mehr. Die kleinen Einzelschicksale machen betroffen und nachdenklich. Der Autor erzählt sehr greifbar, die Dialoge sind sehr lebendig, und so wurde ich mit dem Geschehen schnell warm. Eddie ist eine tolle Hauptfigur, ich freue mich sehr, dass noch einige Bände mit ihm folgen sollen. Er ist einerseits eine starke Person, die für ihre Auffassung von Recht und Ordnung kämpft, dabei das eigene Wohlbefinden hintenan stellt; nicht jeder in seiner Position traut sich auch mal gegen den Willen der Besatzer zu arbeiten. Andererseits hat er in den Schützengräben des Ersten Weltkriegs gekämpft, leidet noch immer unter Flashbacks und ist entsprechend verletzlich. Seine Mitstreiter bzw. Gegenspieler sind vielseitig und auch –schichtig, auch wenn ich die Entwicklungen rund um Auban etwas platt fand. Der Deutsche Hochstetten dagegen ist sehr undurchsichtig angelegt, was die Handlung natürlich doppelt spannend macht. Lloyds Krimi ist nicht immer hochspannend, zwischenzeitlich verzetteln sich die Ermittlungen zu sehr; trotzdem hat mir die Handlung sehr gut gefallen, weil für mich die Mischung aus Historie, Krimi und tollem Cast fast perfekt zusammenpasste.