Rezension

Tangerine

Nacht über Tanger - Christine Mangan

Nacht über Tanger
von Christine Mangan

Bewertet mit 5 Sternen

Alice und Lucy lernen sich an ihrem ersten Tag im College an der Ostküste der USA kennen. Sie teilen sich ein Zimmer und werden beste Freundinnen. Beide haben in jungen Jahren ihre Eltern verloren und fühlen eine große Verbundenheit. Bald jedoch wird Alice durch Lucys ständige Gegenwart und Aufmerksamkeit erdrückt, während Lucy es Alice übelnimmt, dass diese anfängt, sich mit einem jungen Mann zu treffen und Dinge ohne sie zu unternehmen.

Dann geschieht ein schrecklicher Unfall, von dem der Leser erst im Laufe des Buchs Näheres erfährt. Alice verlässt das College und geht zurück nach England, wo sie bei einer Tante lebt. Über die Tante lernt sie Michael kennen und heiratet ihn. Es ist nicht die große Liebe, doch er eröffnet ihr ein neues Leben an seiner Seite in Marokko. Allerdings stellt sich das Leben in Tanger als ganz anders heraus, als sie sich vorgestellt hatte. Die fremden Gerüche, Eindrücke, Menschen und Soukhs machen Alice Angst. Bald verlässt sie die Wohnung nicht mehr, den einzigen Ort, an dem sie sich sicher fühlt. 

Eines Tages steht unerwartet Lucy vor ihrer Tür in Tanger. Nach dem anfänglichen Schock bietet Alice ihr an, für die Dauer ihres Aufenthalts bei ihr und Michael zu wohnen. Von Anfang an merkt man, dass das Verhältnis zwischen Alice und Lucy seltsam ist. Situationen werden abwechselnd aus Lucys und Alices Perspektive erzählt und oft unterscheiden sie sich sehr. Wer erzählt die Wahrheit, welcher der beiden soll man glauben? Auch Begebenheiten aus der Vergangenheit werden beleuchtet und das Puzzle fügt sich allmählich zu einem Bild.

Der Roman ist unglaublich spannend und atmosphärisch dicht geschrieben. Man fühlt sich mittendrin in der Altstadt Tangers, der flirrenden Hitze und den Menschenmassen, den Gerüchen und einer unterschwelligen Bedrohung. Durch den Prolog weiß der Leser bereits, dass etwas Schlimmes passiert, und doch hofft man die ganze Zeit auf einen anderen, besseren Ausgang. Ich habe schon lange keinen Roman mehr gelesen, der mich so gepackt hat.