Rezension

Temporeich und faszinierend

Das Damengambit -

Das Damengambit
von Walter Tevis

Bewertet mit 5 Sternen

Was für ein Tempo! Fast bin ich noch atemlos nach diesem pulsierenden Lesegenuss. Die gleichnamige Serie zum Buch kenne ich nicht und so bin ich völlig unvoreingenommen an die Geschichte von Beth herangegangen, die im Alter von 8 Jahren das Schachspiel kennenlernt und nach einem rasanten Aufstieg im Alter von 18 Jahren bereits Schachmeisterin der USA ist.

Man startet quasi mittendrin, der Autor Walter Tevis hält anscheinend nichts von Einleitungen oder Erklärungen - ein Stil, der sich durch das gesamte Buch zieht und für Beschleunigung sorgt. Zu Beginn eines neuen Abschnitts hatte ich manchmal das Gefühl, die Geschichte sei vorgespult geworden - ein wenig zu weit, man befindet sich schon mitten in einer ganz neuen Situation und all das, was man verpasst hat, erfährt man nebenbei, während die Geschichte schon weiter fortschreitet. Ein Stil, der mir sehr gefallen hat.

Beth ist eine grandios spannende Protagonistin. Bereits in ihrer Kindheit, die sie nach dem Tod ihrer Eltern im Waisenhaus verbringt, merkt man ihr den starken Willen, ihre Eigensinnigkeit und sehr schnell auch ihre Genialität und ihren glasklaren Verstand an. Auf das Schachspiel stößt sie im Keller des Waisenhauses, wo der Hausmeister ihr im Alter von 8 Jahren die Regeln beibringt und ehe er sich versieht keine Chance mehr gegen sie hat. Was dann folgt, ist wie der Einstieg in eine harte Droge. Beth verfällt völlig dem Schachspiel, hier hat sie ihr Element gefunden und Walter Tevis versteht sich einmalig darauf, diese Faszination auch den Nicht-Schachspielenden auf eine Weise nahe zu bringen, die einen beinahe selbst zum Schachbrett greifen lässt. Er lässt uns die Kraft spüren, welche die Figuren auf dem Brett entfalten, die Energie und Eleganz der Angriffe, die Raffinesse und Präzision der Spieler, kurz der "Unendlichkeit des Schachspiels". Befindet man sich hier in einem Balletstück oder in einem tödlichen Duell? 

Doch Beth verliert sich nicht nur im Schachspiel, sie wird auch schon als Kind von den Beruhigungspillen abhängig, die ihr im Waisenshaus verabreicht werden und die sie sich heimlich selbst einteilt und später kommt der Alkohol dazu. Und so ist ihr Aufstieg auch immer gefährlich nah am Absturz. Menschen, die ihr Halt geben, gibt es nur wenige, Beth ist meistens für sich allein. Aus eigener Kraft gelingt ihr der Aufstieg in der Schachwelt, die auch gleichzeitig eine Männerwelt ist und lernt sich zu behaupten gegen Männer, die schon Weltmeister waren, als sie noch gar nicht auf der Welt war - ein Aufstieg, für den Beth sich den russischen Schachweltmeister Borgov als Endgegner ausgesucht hat.

Ein temporeicher Roman, der sich schnell weglesen lässt und neben der Faszination für das Schachspiel auch Sucht, Macht, Kontrolle und Ehrgeiz zum Thema hat.