Rezension

Temporeiche Amerikadystopie mit einigen Schwächen

Artikel 5 - Kristen Simmons

Artikel 5
von Kristen Simmons

Bewertet mit 3 Sternen

Im Amerika der Zukunft leben die 17-jährige Ember und ihre Mutter. Doch eines Tages wird bricht ihre Welt zusammen: Ihre Mutter wird von der Moralmiliz in Gewahrsam genommen, da sie gegen Artikel 5 der Moralstatuten Amerikas verstoßen hat: Ember kam nicht als Kind eines verheirateten Paares auf die Welt, sie kennt ihren Vater nicht. Ausgerechnet Chase, ihr ehemaliger Nachbarsjunge und große Liebe, ist als Mitglied der Moralmiliz bei der Verhaftung dabei. Hat er sich seit ihrer letzten Begegnung so sehr verändert? Auch Ember nimmt die Moralmiliz mit, sie wird in eine gefängnisähnliche Resozialisierungsanstalt für Mädchen gesperrt, in der sie bis zu ihrem 18. Geburtstag sittliches Verhalten lernen soll. Doch Ember denkt nicht daran, bis zu ihrem Geburtstag zu warten: Sie möchte unbedingt fliehen und ihre Mutter suchen. Doch die Strafen für Ungehorsam sind hart, und Fluchtversuche werden mit dem Tod bestraft. Wird Ember trotzdem zu ihrer Mutter finden?

Das Cover zeigt ein Mädchen, das Ember sein könnte, die den Leser mit ernstem Blick betrachtet. Insgesamt ist das Cover in dunklen Farben gehalten, die zur düsteren, bedrückenden Atmosphäre des Buches passen. Den Leser erwartet ein dystopisches Amerika, in dem Willkür, Gewalt und Egoismus zum Alltag geworden sind.

Das Buch beginnt gleich mit dramatischen Entwicklungen. Hat der Leser auf den ersten Seiten von der Existenz der Moralstatuten und der Moralmiliz erfahren, wird schon wenige Seiten später Embers Mutter verhaftet und Ember selbst in die Resozialisierungsanstalt geschickt. Alles geschieht rasant, und schon war man mitten im Geschehen gefangen.

Das folgende Geschehen führt dem Leser den Schrecken dieses dystopischen Amerikas hautnah vor Augen: Schikanierungen und Gewalt sind an der Tagesordnung, wer nicht gehorcht, bekommt die Strafe zu spüren. Die hier beschriebene Gewalt ist für ein Jugendbuch recht stark ausgeprägt. Im Gegensatz dazu stand für mich allerdings die ebenfalls recht ausgeprägte Naivität Embers, mit der sie durch die Geschichte stolpert. Immer wieder handelte sie wie ein trotziger Teenager, bricht Regeln und hält sich nicht an die Empfehlungen anderer. Vor dem Hintergrund der schrecklichen Strafen konnte ich nur den Kopf schütteln, wenn sie sich wieder gegen alle Vernunft zu einer Impulshandlung hinreißen ließ. Ihr kompliziertes Verhältnis zu Chase, welches in der Geschichte viel Raum einnimmt, konnte mich außerdem nicht so recht berühren, da ihre Gefühlsschwankungen und Reaktionen für mich oft nicht nachvollziehbar waren.

Nach dem spannenden Beginn der Geschichte empfand ich den Mittelteil des Buches als etwas zäh. Ember hat ein Ziel vor Augen, gerät jedoch treffsicher immer wieder an die falschen Leute, befindet sich dann in großer Gefahr und muss schließlich entkommen oder gerettet werden. Das wiederholte sich in unterschiedlichen Konstellationen für meinen Geschmack zu häufig, bevor sie im letzten Viertel des Buches ihrem Ziel einen entscheidenden Schritt näher kommt. Dieses letzte Viertel hielt dann nochmal einige Überraschungen bereit, die mich für den Mittelteil etwas entschädigt haben.

Über die Hintergründe der Gesellschaft habe ich für meinen Geschmack zu wenig erfahren. Wer hat die Moralstatuten eingeführt? Warum werden sie von so vielen Leuten angenommen? Wie kam es zu dem inzwischen beendeten Krieg, warum gibt es evakuierte Zonen und warum werden sie nicht neu besiedelt? Es werden viele Aspekte angeschnitten, denn die gesellschaftlichen Strukturen sind für die Geschichte wichtig. Diese werden dann aber nicht so ausführlich erklärt, wie ich es mir gewünscht hätte.

„Artikel 5“ ist eine spannende, oft rasante, aber auch brutale Dystopie, die für Jugendliche ab etwa 16 Jahren geeignet ist. Leider empfand ich den Mittelteil als recht zäh und konnte die Handlungen der Protagonistin oft nicht nachvollziehen. Auch über die Hintergründe der Gesellschaft hätte ich gerne noch mehr erfahren, aber vielleicht wird in der Fortsetzung noch mehr erklärt? Trotzdem wird das Buch Dystopiefans sicherlich unterhalten können.