Rezension

Terra Incognita

Das Volk der Bäume - Hanya Yanagihara

Das Volk der Bäume
von Hanya Yanagihara

Bewertet mit 3 Sternen

Norton Perina ist  Arzt, Forscher, Wissenschaftler, Nobelpreisträger. Auf einer mikronesischen Insel erforschte er den Mythos der Unsterblichkeit. Eine unbekannte Schildkrötenart soll den Schlüssel zum ewigen Leben bergen. Es sind die „Träumenden, die von dem Schildkrötenfleisch gegessen haben und hunderte Jahre alt werden, während ihre geistige Verfassung demenzartig abbaut. Wochen-, monatelang verbringt Perina mit dem Anthroplogen Paul Tallent und dessen Assistentin Esme auf der einsamen Insel, lernt deren Gebräuche und Initiationsriten kennen. Mit der Zeit adoptiert Perina insgesamt 45 Kinder von der Insel. Als alter Mann wird er wegen Vergewaltigung und Unzucht  mit Minderjährigen zu zwei Jahren Haft verurteilt.

Hanya Yanagihara hat für ihren Erstling Das Volk der Bäume die Geschichte von Daniel Carlton Gajdusek, der auf Papaua Neuguinea die Prionkrankheit erforscht und unzählige Kinder der Eingeborenen adoptiert hat, zum Vorbild genommen.

Das Buch beginnt mit der Verurteilung Perinas. Während der Zeit in Haft verfasst Perina seine Memoiren. Es ist die zunächst  langweilige Selbstbeweihräucherung eines blasierten Studenten und Doktoranden, dem der Zufall zu dem Forschungsauftrag führt, der Perinas Leben verändern wird. Perina ist herablassend, präpotent, dabei ein äußerst unzuverlässiger Erzähler.

Mir hat dieses Buch einiges an Durchhaltevermögen abverlangt. Hanya Yanagiharas Beschreibungen der Terra incognita sind opulent, ausufernd, bildgewaltig. Perina selbst scheint emotionslos und nahezu angeödet.

„O Gott, dachte ich, kann sich denn nichts in diesem Dschungel verhalten, wie es soll? Müssen sich Früchte bewegen und Bäume atmen und Süßwasserflüsse nach Ozean schmecken? Warum muss alles so überdeutlich darauf hinweisen, dass Verzauberung hier Realität ist?“ lässt sie Perina schreiben. Ich dachte so ähnlich. Eigentlich wollte ich nur weg von dieser Insel, voller widerwärtiger, mit Parasiten gefüllter Früchten, abscheulicher Beschreibungen von geplagten Kreaturen und primitiver Riten. Dabei wird im Text unzählige Male auf Indexverweise zurückgegriffen. Irgendwann habe ich mir das Blättern nach fiktiven Quellenangaben gespart.

Genie oder Monster, diese Frage kann man bei diesem Buch nicht unvoreingenommen begegnen. Perina zerstört zum Zwecke der Forschung eine ursprüngliche Zivilisation, vergewaltigt Mensch und Natur.  Vielleicht ist es, weil das Buch aus der Sicht des Täters, des Zerstörers der ursprünglichen Zivilisation, des Kinderschänders, geschrieben ist, dass es mich nicht erreichen konnte.

Martin Pesl schrieb in seiner Rezension im Falter: „Man liest weiter, nicht so sehr, weil einen die Details rund um das ohnehin fiktive Baumvolk interessieren, sondern weil man verdammt noch mal endlich wissen will, wo der Typ eigentlich ang’rennt ist.“ Danke, besser kann man es nicht ausdrücken.