Rezension

Terror der Hoffnungslosigkeit

Zeiten der Heuchelei - Petros Markaris

Zeiten der Heuchelei
von Petros Markaris

Bewertet mit 4 Sternen

Die griechische Finanzkrise und ihre Auswirkungen auf die normalen Bürger sind seit 2011 ein wiederkehrendes Thema der Kostas Charitos-Krimis von Petros Markaris. So auch in „Zeiten der Heuchelei“, dem zwölften Band der Reihe, in dem der frischgebackene Großvater sich um besonders vertrackte Morde kümmern muss. Auf den ersten Blick erschließt sich die Wahl der Opfer nicht, handelt es sich doch um unbescholtene Bürger, um hochangesehene Stützen der Gesellschaft. Ein sozial engagierter Hotelier, der Stipendien an notleidende Studenten vergibt, ein Abteilungsleiter im Griechischen Statistikamt sowie zwei EU-Beamte plus ein Grieche, die bei einem Autounfall ums Leben kommen.

Die Gutmenschen-Profile von Opfer 1 und 2 bekommen Risse, als den Medien Bekennerschreiben zugespielt werden. Das „Heer der Nationalen Idioten“ übernimmt die Verantwortung für die Anschläge und bezichtigt die Opfer der Heuchelei. Die Ermittlungen ergeben, dass der Hotelier seinen Firmensitz auf die Kaiman-Inseln ausgelagert hat und so seine Gewinne am griechischen Fiskus vorbei schleust, der Beamte hingegen frisiert Statistiken für die EU. Offenbar wesentlich besser entlohnt, als das Einkommen, dass die „normalen“ Griechen, so sie denn überhaupt eine feste Arbeit haben, als Monatslohn erwarten können. Im Durchschnitt ca. 300 Euro, zu wenig zum Leben, zu viel zum Sterben. Rentenzahlungen, die die Bezeichnung nicht verdienen und die Bezugsberechtigten in die Obdachlosigkeit treiben. Und der Staat? Schaut zu.

Wie viel Frust und Ungerechtigkeit muss erduldet werden, bis sich die Opfer dieses Systems formieren? Bis sie die Öffentlichkeit suchen, die Missstände benennen wollen und dabei in der Wahl der Mittel nicht zimperlich sind?

Wieder einmal brisante Themen des griechischen Alltags, auf die Markaris unseren Blick richtet. Allerdings ist die Umsetzung nur in Teilen gelungen. Viel zu viel Baby-Eia, viel zu viel Großfamilien-Idyll, viel zu viel Bürokraten-Blabla. Dafür viel zu wenig zielgerichtete Ermittlungsarbeit, eher ein kollektives Stochern im Nebel von Kommissar Charitos samt Team und hinzugezogenen Experten. Und der Verzicht auf die gebetsmühlenhaften Wiederholungen der Ermittlungsergebnisse hätte dem Roman sicher nicht zum Nachteil gereicht.