Rezension

Teufelsanbeterin aus Montana

Ich erwarte die Ankunft des Teufels - Mary Maclane

Ich erwarte die Ankunft des Teufels
von Mary Maclane

Bewertet mit 3.5 Sternen

„In mir trage ich den Keim eines intensiven Lebens. Wenn ich leben könnte, und wenn es mir gelingen könnte, mein Leben aufzuschreiben, würde die Welt seine schwere Intensität spüren.“ Unwillkürlich überlege ich mir, wie sich diese Zeilen wohl in einen Hashtag übersetzen lassen würden und sehe vor meinem inneren Auge eine Mary Maclane, die sich selbstbewusst auf Instagram inszeniert. Welchen Weg hätte sie wohl in heutiger Zeit für sich gesucht, um berühmt zu werden? Um der Enge ihrer amerikanischen Kleinstadt zu entkommen? Wie selbstbewusst, eitel und narzisstisch sie sich in ihrem fiktiven Tagebuch als 19-jährige Teufelsanbeterin inszeniert, beeindruckt mich wirklich sehr. Und es weckt die Erinnerung an mein eigenes junges narzisstisches Ich, dass während der Pubertät ähnlich um sich selbst kreiste, hin und her geworfen zwischen den Polen Mittelmaß und außergewöhnlich. Doch nie hätte ich „Ich bin ein Genie.“ gedacht, laut gesagt, aufgeschrieben und veröffentlicht. Stattdessen habe ich versucht, mich und mein Innerstes zu meinen Gleichaltrigen in Relation zu setzen, herauszufinden, wer Mittelmaß, wer außergewöhnlich sein könnte. Ähnlich einsam wie in Marys Text hat sich das zuweilen angefühlt. Ein Punkt, in dem ich ihrem Schreiben gut folgen kann. Ebenso dieses Gefühl auf das Leben zu warten. Davon hab ich auch die Seiten in meinem Tagebuch gefüllt, doch nicht ansatzweise so eloquent, dramatisch und auf den Punkt wie Mary Maclane. Was ist ihr Text also? Ein Zeugnis jugendlicher Zerrissenheit? Der Ruf nach Aufmerksamkeit? Die Idee durch Ruhm die Leere in sich zu füllen? Wie soll ich ihre Ansprache an den Teufel einordnen? Eine Verhöhnung der Männerwelt? Mit denen würde sie nichts anfangen wollen. Einzig der Teufel könne ihr Glück verschaffen. Ist das die Idee vom „Bad Boy“, in den sich jedes Mädchen einmal verknallt in der Hoffnung, ihm zu verfallen und ihn gleichzeitig zu bekehren? Oder ist es der Abgesang auf die Männer, weil sie eigentlich an Frauen interessiert ist? Oder ist es einfach ein berechnender PR-Gag, weil um 1900 der Ruf eines jungen Mädchens nach Erlösung durch den Teufel so ziemlich das Gegenteil von Good Behavior darstellte?

Es ist eine interessante, angenehm aufwühlende, in ihrer Repetition leicht nervende Lektüre über den universellen Schmerz des Jungseins. Die Nachworte von Übersetzerin Ann Cotton und Journalistin Juliane Liebert helfen bei der Einordnung und bringen Anregungen, sich mit gewissen Themen und Stereotypen in der Literatur kritisch auseinander zusetzen. Ob der Text einen Nachhall bei mir haben wird, wird sich zeigen.