Rezension

Thema verschenkt

NSA - Nationales Sicherheits-Amt - Andreas Eschbach

NSA - Nationales Sicherheits-Amt
von Andreas Eschbach

Bewertet mit 2 Sternen

Mein zweiter Eschbach. Der erste (Die Haarteppichknüpfer) hat mir wesentlich besser gefallen, da war mehr Phantasie drin.

Aus heutiger Sicht wäre es der Supergau und der Horror überhaupt, wenn die Nationalsozialisten schon über unsere heutigen Möglichkeiten der Überwachung und der Datenerfassung verfügt hätten. Diesem Horrorszenario widmet sich Andreas Eschbach in seinem Buch NSA. Die Idee hat was und es gibt natürlich einige Lacher, wenn Andreas Eschbach die englischen Computerbegriffe ins Deutsche bringt, weil ja alles superdeutsch sein musste in jener Zeit. Aber diese Späße, so amüsant sie sind, tragen nicht durch ein 800seitiges Buch.

Der Roman beginnt mit einem vordatierten Prolog, der im Amt der NSA (Nationales Sicherheitsamt) in Weimar spielt. Himmler ist zu Besuch und will Ergebnisse sehen. Wenn nicht, wird das Amt direkt Berlin unterstellt und wird in die normalen Geheimdienste eingegliedert. Was zu Entlassungen führen würde und wehrtaugliche Männer kämen an die Front. Das ist nicht im Sinne des Protagonisten Eugen Lettke, der sich als Angestellter des NSA ein sicheres Plätzchen erhofft hat, das ihn uk stellt (unabkömmlich). So führt die Mannschaft des NSA Himmler vor, wie sie rein mithilfe von Datenermittlungen versteckte Juden im Reich aufspüren können!

Die Datenerhebungen über alles und jeden und über jeden Schritt jeder Person im Reich, zusammen mit der Abschaffung des Bargelds führen zu vielen gefährlichen Ergebnissen und Gefahren für sogenannte subversive Elemente. Das hat der Autor ordentlich herausgearbeitet. Allerdings hat er es dabei auch belassen und sich ziemlich eng an den realen Verlauf der Historie gehalten und zunächst kaum etwas daran verändert, was man im Genre SF aber durchaus erwartet hätte!

Eine andere Protagonistin, Helene, angepasst und ausgestattet mit dem Selbstbewusstsein einer Mücke, arbeitet als Programmiererin im Amt. So nach und nach stellt sie sich die Frage, ob sie sich durch ihre Arbeit mitschuldig am Tod von unschuldigen Menschen macht.

Ein interessantes Setting. Könnte man meinen. Leider werden moralische Fragen so beiläufig gestellt, dass man sie ebenfalls beiläufig überlesen kann. Ausgewalzt wird dagegen das nationalsozialistische abscheuliche Gedankengut, das uns doch allen hinlänglich bekannt ist. Hier hätten einige Andeutungen vollauf genügt.

Widerstand ist da. Aber er ist eher ein Nebenprodukt (und damit mehr oder weniger zufällig) von eigenen egozentrischen Plänen, sowohl von seiten Helenes als auch von Eugen, den spät einige Erkenntnisse streifen.

Die Sprache ist die der Trivialliteratur. Sexszenen sind platt und dem „Sexheftle“ oder dem Groschenroman zuzuordnen. Phrasen gibt es reichlich. Dafür kann man durch die Seiten fliegen!

Für die Aufstellung der Protagonisten und ihrer spärlichen Entwicklung braucht der Autor mindestens einen halben Roman und damit viel zu lange. Ins Allgemeine geht er selten. Bleibt bei den beiden Figuren, was mit der Zeit langweilig ist.

Erst nach der Hälfte hat die Story die Prologzeit eingeholt und der Leser befindet sich wieder in der Gegenwart.

Helene und Eugen sind leider beide sehr plakative Personen, die nicht viele Charakterfacetten aufweisen. Man bräuchte keinen Computer, um ihre Verhaltensweisen vorherzusagen. Helene sorgt sich um ihr Sexualleben und Eugen ebenfalls um das seine, allerdings auf andere, ekelhafte Weise.

Die Veränderung der Geschichte durch das vorgezogene Computerzeitalter bleibt lange Zeit marginal. Doch auf den letzten fünfzig Seiten, meint der Autor ein Feuerwerk zünden zu müssen, das einfach nur lächerlich ist. Atombomben fallen, es wird zwangsinseminiert, Hirnforschung an Wehrlosen betrieben, m.a.W. sämtliche Gräuel der NS-Zeit werden noch untergebracht, sofern sie nicht vorher schon erwähnt wurden.

Abstruse Lösungen werden angeboten, die nicht zu den Charakteren passen. Die sowie so zusammengestückelt und nicht psychologisch stringent entwickelt wirken.

Und? So what? Was hat es gebracht? Hat der Leser Horror erlebt? No. Hat er einen Abscheu entwickelt, den er vorher nicht hatte? No. Hat der Autor in irgendeiner Weise echte Aufklärung geleistet oder ist er nur auf einer abscheulichen Welle geritten? No comment.

Fazit: Das digitale Zeitalter in den NS zu verlegen, versprach einen interessanten Stoff. Doch der Autor erfindet und zeigt keine „neue Gesellschaft“, sondern bleibt an seinen Protagonisten kleben, die wahrlich beide nicht begeistern können.

Thematisch wäre mehr drin gewesen!

Kategorie: Unterhaltung
Verlag: Bastei Lübbe, 2018