Rezension

There is no business like family business

Totenstill -

Totenstill
von Arvid Heubner

Bewertet mit 3 Sternen

Im Gymnasium Kloster Eichenburg, einem Elite-Internat in Sachsen-Anhalt, hat es sich über die Jahre eingebürgert, dass die Abiturienten eine sogenannte Silentiumfahrt machen. Eine Kurzreise, die dazu dient, für die bevorstehenden Prüfungen Kraft zu tanken, sich nochmals auf sich selbst zu besinnen und zur Ruhe zu kommen. In diesem Jahr fahren die Mädchen Sophia Dibelius, Johanna von Kleeberg, Marie Jannings, Stephanie Pousset, Alisah ter Hoorst und Mia Kolberg, gemeinsam mit ihrem Lehrer Alexander Matthes, in eine abgelegene Hütte in Altenrode im Oberharz. In dieser Region sind innerhalb der letzten 3 Tage knapp 60 Zentimeter Neuschnee gefallen und der Kontakt zur Gruppe ist abgerissen, weswegen die Polizei von Altenrode einen Bergungstrupp zur Hütte schickt, diese jedoch leer vorfindet. Ein paar Stunden nach dem Polizeieinsatz klopft eine junge Frau in Altenrode an eine Haustüre, schreit panisch um Hilfe und fällt in Ohnmacht. Es handelt sich um Mia Kolberg.

Als diese kurz darauf im Krankenhaus ihr Bewusstsein wiederfindet, kann sie den Ermittlern den zielführenden Hinweis auf eine Höhle geben: die Arminhöhle. Die Polizisten finden dort 6 Leichen vor. Ersten Indizien zu Folge hat Alexander Matthes die 5 jungen Frauen erschossen und dann sich selbst gerichtet. Mia Kolberg konnte als einzige flüchten.

Tinus Geving tritt seinen Dienst beim LKA Sachsen-Anhalt an und wird mit der Aufklärung der Morde betraut.

Der Fall erhält seine Brisanz nicht nur durch die Tatsache, dass alle getöteten Schülerinnen aus Elternhäusern mit karriereorientiertem Hintergrund stammen, sondern auch dadurch, dass es innerhalb des Landtages Sachsen-Anhalt Intrigen und Machtspielchen gibt und in Kürze das Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung geändert werden soll.

Bei „Totenstill – Tinus Geving ermittelt-Reihe 1“ handelt es sich um die überarbeitete Neuausgabe des Thrillers „Mitten im kalten Winter“, der im Oktober 2017 bei Verlagsgruppe Droemer Knaur GmbH & Co. KG erschienen ist.

Es hat sich irgendwie eingebürgert, dass jeder Ermittler seine eigenen Probleme und Dämonen mitbringt, gegen die er kämpfen muss. Zusätzlich ist es irgendwie Gang und Gäbe, dass die Probleme der Ermittler in den aktuellen Fall verknüpft sind und dort entweder aufgelöst oder verschlimmbessert werden. So auch in diesem Thriller.

Tinus Geving leidet unter Posttraumatischen Belastungsstörungen, was sich in diesem Fall in Flashbacks äußert – er durchlebt in Gedanken immer mal wieder Fragmente der Geschehnisse, durch die er seine Lebensgefährtin verloren hat. Durch diese Flashbacks erfährt der Leser, was damals passiert ist und, warum Tinus Geving von Europol zum LKA gewechselt hat, wo er aufgrund seiner Qualifikation (Terrorismusbekämpfung) deutlich unterfordert sein wird.

Die Ermittlungen von Tinus Geving und seinem Team bewegen sich tagelang nicht von der Stelle. Das liegt unter anderem daran, dass es auch in den eigenen Reihen Personen gibt, die ihm immer wieder Stöcke zwischen die Füße werfen.

Die Geschehnisse im Gymnasium Kloster Eichenburg, die mit den ermordeten Mädchen zu tun haben, rücken mit zunehmender Seitenzahl in den Hintergrund, wogegen die politischen Intrigen innerhalb des Landtages von Sachsen-Anhalt in den Vordergrund rücken. Wie genau das alles zusammenhängt, erschließt sich dem Leser erst nach und nach, indem diese Handlungen miteinander verknüpft werden.

Es dauerte ein paar Seiten, bis ich mich mit dem Schreibstil des Autors angefreundet hatte, das war aber tatsächlich nur eine kurze Zeit. Es werden immer mal wieder SMS-Verläufe eingestreut, mit denen man als Leser nix anfangen kann, weil man die Personen nicht kennt, die die SMS senden oder erhalten. Die Spannung stellt sich erst weit nach der Hälfte des Buches ein, dann nimmt die Geschichte Fahrt auf.

Mit zunehmender Seitenzahl wird es aber auch immer mehr politisch und da habe ich, zugegebenermaßen, den Überblick verloren, wer warum und mit wem freiwillig und/oder gezwungen ins Bett steigt, um damit was genau in der Politik zu bezwecken …..

Die Auflösung des Falles bringt dann auch eine ganz andere Wahrheit ans Licht, als die, die man erwartet hat.

Für mich war dieses Buch deutlich mehr ein Krimi als ein Thriller, da hier die Ermittlungsarbeit der Polizei im Fokus der Geschichte steht. Da die Toten direkt am Anfang des Buches aufgetreten sind, was für einen Thriller unüblich ist, fehlt mir der Nervenkitzel (thrill), der ein Buch dieses Genre letztendlich ausmacht.

Wer nicht unbedingt die haarsträubende Spannung sucht und sich auch von politischen Verflechtungen/Ingrigen gedanklich nicht aus der Bahn bringen lässt, findet hier sicherlich ein interessantes Buch.