Rezension

There is no escape

Boot Camp - Morton Rhue

Boot Camp
von Morton Rhue

Bewertet mit 4 Sternen

You will be constantly observed. There is no escape from this facility. You will share the intimate details of your life. You will be held accountable for your actions.
Connor is not the son his rich parents dreamed of. Against his will they have him transported to a Boot Camp far from home. Once there, Connor faces a brutal system of physical torment and brain-washing. There seems to be no escape.
(Klappentext: Ravensburger Buchverlag)

Connor ist fassungslos. Gefesselt sitzt er am Rücksitz seiner Kidnapper und wird von ihnen weg von seiner Familie gebracht. Und er weiß, dass die eigenen Eltern dafür bezahlen, dass er im Boot Camp zu einem wohlerzogenen, jungen Mann werden wird. 

Morton Rhue arbeitet in seinem Jugendbuch das Thema Boot Camp auf. Er veranschaulicht anhand des Protagonisten Connor, inwiefern diese Erziehungsart bedenklich und unmoralisch ist.

Ein Boot Camp ist ein Gefängnis für schwer erziehbare Jugendliche, das als Ferienlager mit erwünschten Verhaltenseffekt angepriesen wird. Auf mich haben Connors Erfahrungen wie eine Mischung aus Hitlerjugend und Konzentrationslager gewirkt, die mir die Zehennägel aufstellt.

Gemeinsam mit Connor trifft der Leser im Boot Camp ein. Gleich zu Beginn wird man mit drastischen Regeln konfrontiert. Connor zieht sich vollständig nackt aus, wird gemustert und darf nur reden, wenn er angesprochen wird. Daraufhin folgt eine erschreckende Zeit voller Maßnahmen, die dem Leser schockiert den Atem rauben.

Anhand von Connor arbeitet der Autor die Regeln des besagten Boot Camps ab, und reflektiert gleichzeitig Argumente, die deutlich gegen den Einsatz solcher Einrichtungen sprechen. Absolut bedenklich finde ich zum Beispiel allein, dass ein Boot Camp in erster Linie ein Geschäftsmodell ist. Sie sind auf Gewinnerzielung ausgerichtet. Deshalb können Eltern ihre Kinder - gegen entsprechende Bezahlung - aus jedem erdenklichen Grund ins Boot Camp verfrachten. Auf die angewandten Maßnahmen, die eher Guantanamo als einer pädagogischen Einrichtung entsprechen - will ich gar nicht weiter eingehen.

Für mich ist es unvorstellbar, dass in einer Demokratie ein solcher Geschäftszweig beziehungsweise derartige Maßnahmen erlaubt sind. Hier bleiben die Menschenrechte vollkommen auf der Strecke, während die Jugendlichen geplant gebrochen werden. Ziel ist, einen ‚guten Sohn‘ oder eine ‚wohlerzogene Tochter‘ zu produzieren, die durch Gehirnwäsche und Folter hervorgebracht werden.

Obwohl ich Morton Rhues „Boot Camp“ thematisch sowie erzählerisch phänomenal finde, hatte ich mit Protagonist Connor Probleme. Mich stört, dass Connor aus einem  - wohl eher - unüblichen Grund in diesem Gefängnis gelandet ist. Ich hätte mir schon einen realistischeren Hintergrund der Hauptfigur gewünscht. Dazu kommt, dass er mit seinen sechzehn Jahren auf mich deutlich älter wirkt. Ehrlich gesagt, mir wäre ein aggressiver Quertreiber mit krimineller Energie lieber gewesen als dieser altkluge und aalglatte Junge, der kein Wässerchen trübt.

Meine Ausgabe ist eine englische Version, die sich explizit an deutschsprachige Leser richtet. Das Buch enthält einen Glossar, der viele Wörter ins Deutsche übersetzt, was beim Lesen manchmal lästiges Nachschlagen erspart. 

Wie bereits weiter oben erwähnt, Rhues Erzählstil ist dramaturgisch perfekt, der Text lässt sich mit Schulenglisch exzellent lesen, und das Thema an sich ist als Romanform packend umgesetzt. 

Insgesamt ist Morton Rhues „Boot Camp“ ein schockierendes Werk, das aufgrund seiner Thematik zum Nachdenken anregt und dank der guten Umsetzung optimal zu lesen ist. Für Interessierte und junge Leser ist es meiner Ansicht nach ausgezeichnet geeignet.