Rezension

Thrill der höchsten Qualitätsstufe

Amokspiel - Sebastian Fitzek

Amokspiel
von Sebastian Fitzek

Bewertet mit 5 Sternen

Die Kriminalpsychologin Ira Samin hat es nicht einfach. Ihre Tochter Sara hat sich umgebracht und ihre andere Tochter Kitty gibt ihr die Schuld daran und spricht kein Wort mehr mit ihr. Ira hat sich monatelang in den Alkohol geflüchtet, weil sie mit dieser Situation nicht klar kam, aber damit soll nun Schluss sein. Sie will sich selbst umbringen. Alles, was sie noch braucht, ist eine Cola light lemon, damit sie die todbringenden Kapseln schlucken kann. Als sie jedoch aus dem Haus zum Laden um die Ecke geht, gerät sie erst in einen Streit um einen toten Hund, den die beiden Kontrahenten mit Waffengewalt lösen wollen, und wird anschließend mehr oder weniger vom SEK entführt, um bei einer Geiselnahme im Radiosender die Verhandlungen zu führen.

 

Im größten Radiosender von Berlin hat Jan May mehrere Geiseln genommen. Seine Forderung: Seine Verlobte Leoni soll zu ihm gebracht werden. Was sich anfangs einfach anhört, entpuppt sich dann doch als etwas schwerer, denn Leoni ist acht Monate zuvor bei einem Autounfall gestorben. Doch dies will Jan nicht wahr haben. Er ist sich sicher, dass alles ein großes Komplott ist und Leoni noch lebt. Er glaubt nicht, dass sie tot ist, sondern dass sie irgendwo gefangen gehalten wird. Und um Druck zu machen, droht er damit, jede Stunde eine Geisel zu erschießen, falls sich eine zufällig ausgewählte Person am Telefon nicht doch noch mit einer ganz bestimmten Parole meldet.

 

Meine Meinung

Dies war mein zweiter Roman von Sebastian Fitzek und meine Erwartungen waren ziemlich hoch, nachdem mir „Die Therapie“ sehr gut gefallen hat. Und ich muss sagen, dass mich auch dieser Roman sehr gefallen hat.

 

Die Persönlichkeiten gefallen mir richtig gut und erwachten vor meinem inneren Auge zum Leben. Insbesondere die Person von Ira hat mir sehr gut gefallen, denn jede Beschreibung, jede Handlung passt haargenau. Sie ist genervt von dem ganzen, denn eigentlich wollte sie doch schon längst tot sein. Und dann muss sie den ganzen Schmerz um Saras Tod noch einmal durchleben – und das live am Radio, wo inzwischen ganz Berlin zuhört! Und auch ihre Beziehung zu Kitty darf sie vor ganz Berlin offen legen. Dieser seelische Striptease ist richtig gut beschrieben. Es ist eine seltsame Mischung aus einerseits Abscheu, was da alles von Ira verlangt wird, andererseits dann auch Mitleid mit ihr, wenn sie einfach nur etwas Alkohol benötigt, um keine Entzugserscheinungen zu bekommen und weiter machen zu können, oder wenn sie einfach nur nach einer Cola light lemon sucht, um vielleicht doch noch heim zu ihren Kapseln zu kommen. Es ist dann aber auch noch ein bisschen Voyeurismus dabei, wenn Ira erzählen muss, wie es aus ihrer Sicht zum Suizid von Sara gekommen ist.

 

Auch die Person von Jan ist bis in die letzte Kleinigkeit ausgearbeitet. Anfangs hat mich gewundert, dass er ein so ausgefeiltes Gespräch mit Ira führen kann. Doch dies wird nach und nach aufgeklärt, sodass auch die Art des Gesprächs zur Person von Jan passt. Und ähnlich ist es dann auch mit den anderen wenigen Hauptpersonen. Ich bin wirklich überrascht, dass alles an ihnen passt. Und die Nebenpersonen bleiben dann tatsächlich auch mal Nebenpersonen und der Leser wird nicht mit unnötigen Details über sie gelangweilt, die mit der Handlung nichts zu tun haben. Das hat mir alles wirklich gut gefallen und zeigte mir, dass die gesamte Geschichte von A bis Z durchdacht war und nicht einfach mal drauf los geschrieben wurde.

 

Die ganze Geschichte bietet nicht unbedingt Stoff für Humor. Trotzdem zieht sich die Suche von Ira nach einer Cola light lemon wie ein roter Faden durch die Geschichte und hatte für mich etwas von einem Running Gag, denn sie sucht auch nur nach dieser bestimmten Sorte, es darf nicht einfach irgendein Getränk sein. Und ich meine, sie bekommt während der gesamten Geschichte keine. Ansonsten habe ich nichts Lustiges gefunden, allerdings auch nicht vermisst, denn die Geschichte bietet dafür einfach keinen Raum.

 

Die ganze Geschichte, die sich innerhalb weniger Stunden abspielt und nicht mal einen gesamten Tag umfasst, ist in viele kleine Kapitel eingeteilt. Oft findet von einem Kapitel zum nächsten ein Szenenwechsel statt, indem die Sicht einer anderen Hauptperson gezeigt wird oder der Ort sich verändert hat. Dieses steht zwar nicht in einer Überschrift, wie ich es aus anderen Romanen kenne, allerdings weiß man gleich beim ersten Satz schon, um wen es sich gerade handelt und wo er ist. Ich konnte mich also während des Lesens immer gut orientieren, wer gerade was macht. Die kleinen Kapitel von nur wenigen Seiten fand ich auch angenehm, denn dadurch konnte ich auch das Buch mal kurz weg legen und brauchte nicht beim Weiterlesen einige Zeit, um mich zu orientieren und wieder in die Geschichte einzusteigen.

 

Die Geschichte insgesamt fand ich dann sehr gut durchdacht. Alles hatte für mich Hand und Fuß, ganz viele Details griffen ineinander, auch wenn man dies anfangs nicht unbedingt sah. Jeder Handlungsstrang findet ein Ende, alles, was mal angesprochen wird, wird noch aufgelöst, wie es in das große Ganze passt und was es damit auf sich hatte. Das hat mich doch sehr beeindruckt und begeistert, denn ich bin jemand, der auch auf diese ganzen Details sehr achtet und dann oft enttäuscht wird, weil etwas doch im Ungewissen bleibt. Da scheint Sebastian Fitzek aber sehr drauf zu achten, denn sowohl in diesem Roman wie auch in dem anderen, den ich bereits von ihm gelesen habe, wird alles restlos aufgelöst.

 

Ich möchte vom Inhalt nicht zu viel verraten, denn er lebt von vorne bis hinten von seiner Spannung. Immer, wenn man denkt, man hat nun alles verstanden und begriffen, worum es geht, kommt ein neues Detail ans Licht, das alles bisherige wieder umwirft und in einem anderen Licht erscheinen lässt. Man kann sich nie wirklich sicher sein, dass alles so ist, wie es scheint. Dabei bleibt allerdings alles im Rahmen. Es fällt niemand aus seiner Rolle. Wenn das neue Detail bekannt wird, erklärt es eher das vorangegangene Verhalten und verwirrt nicht. Ich finde dies ungeheuer geschickt gemacht und das gibt für mich das besondere Etwas, das Etwas, das diesen Roman aus der breiten Masse heraus hebt. Es zeigt, dass Sebastian Fitzek wirklich etwas von Psychologie versteht und viel Menschenkenntnis hat.

 

Insgesamt habe ich das Buch sehr gern gelesen und ich kann es uneingeschränkt weiter empfehlen.