Rezension

tief und amüsant gleichermaßen

Worüber wir nicht reden - Jenny Bünnig

Worüber wir nicht reden
von Jenny Bünnig

Bewertet mit 5 Sternen

Ein wundervolles, intelligentes Buch, das mit Humor und Verzweiflung eine Familie seziert.

Um die Familie zusammenzurufen, denkt Winni sich einen besonderen Grund aus: Er möchte mit seinem Riesenkürbis an einer Europameisterschaft teilnehmen. So treffen zum ersten Mal seit langem seine Tochter, sein Sohn und seine Enkelkinder im Elternhaus ein. Das Wochenende gerät zu einer Reise in die Vergangenheit. 

 

Jenny Bündig ist in ihrem dritten Roman eine großartige Familienstudie gelungen. Um all die Dinge, über die nie gesprochen worden ist, geht es hier und um mehr: um Beziehungen und Entwicklungen, um Schuld und Akzeptanz. Diese eigentlich schweren Themen werden so leicht verpackt, dass oftmals gelacht werden kann, und gehen gleichzeitig immer wieder tief unter die Haut. 

Die Charaktere sind minimal überzeichnet, sicher ein legitimes Mittel, um innerhalb einer überschaubaren Seitenzahl spannende Familieninteraktionen zu schaffen mit einer beachtlichen Bandbreite an Emotionen. 

Aus der aktuellen Situation heraus kommen Winni und seine Kinder auch in Rückblenden zu Wort (Winni in herzerwärmendem Ruhrpottslang) und erzählen, was ansonsten verschwiegen wird. Eine gute Methode, um dem Leser interessantes Hintergrundwissen zu bieten, Geschehnisse in Zusammenhänge zu bringen und Befindlichkeiten zu erklären.

Blanche, ein Goldfisch mit defekter Schwimmblase, der behinderte Hund Peek, der Kürbis … Sie sind Metaphern für Unvollständigkeit, für Makel, für diese Familie, in der so gar nichts einen geraden Weg nehmen kann.  

Und doch zeigt sich, dass hinter all den Problemen wunderbare Menschen stecken, die sich wahrhaft zugetan sind. Von denen jeder viel für andere empfindet, viel für andere tut. Notfalls auch viel von sich selbst zurück nimmt. Dass sie tatsächlich als Familie funktionieren, in dem Sinne, dass sie einander gut tun. Nicht die Probleme lösen, aber sich gegenseitig stärken.

An unzähligen Kleinigkeiten, Achtsamkeiten, wird erkennbar, wie viele Stärken sich in vermeintlichen Schwächen verbergen.

Die Geschichte hat einiges an moralischen Ratschlägen mitzugeben: Dass es manches Mal unrecht ist, zu verurteilen. Dass die Wahrheit eben nicht immer sichtbar ist. Dass Großherzigkeit eine Tugend ist, die letzten Endes seinem Träger am meisten hilft.

Ein schönes Buch, ein schönes Ende.