Rezension

Tiefe rührende Botschaft – ein sehr empfehlendes Buch

Someone New - Laura Kneidl

Someone New
von Laura Kneidl

Bewertet mit 4 Sternen

--- Kurzinhalt ---

Auf einer lahmen Veranstaltung ihrer Eltern, trifft Micah auf den Kellner Julian. Die beiden verstehen sich von Anhieb, doch dann wird Julian kurzerhand von Micahs Mutter gefeuert, weil diese denkt, dass die beiden miteinander rumgemacht haben. Zwei Monate später zieht Micah in ihre eigene Wohnung nahe ihrer Universität und Julian ist unerwartet Micahs Nachbar. Doch Julian ist nicht der, den er vorgibt zu sein – ein gewaltiges Geheimnis bringt ihn dazu, Micah vorerst auf Abstand zu halten.

--- Lesefluss ---

Das Buch liest sich sehr flüssig. Wir erleben die Ich-Perspektive von Micah, die sehr erfrischend ist. Ich konnte von Anfang an den Druck, unter dem sie steht, sehr gut nachvollziehen. Ihre Gefühle haben mich direkt erreicht.

--- Protagonisten ---

Micah ist die Tochter reicher Anwälte und steht unter besonderer gesellschaftlicher Beobachtung. Ihre Eltern erwarten von ihr, dass sie ebenfalls Jura studiert und das Kanzlei-Erbe eines Tages antritt. Sie hat sich einzufügen, soll in den konservativen Rahmen passen - was sie durch ihre Liebe zu Superhelden, Mangas, Comics und vor allem Graphic Novels allerdings nicht tut.

Julian ist ein Einzelgänger und wirkt in den ersten Begegnungen mit Micah sehr distanziert, gleichgültig, auch ein bisschen herablassend. Er ist 24 und studiert im ersten Semester Architektur. Er hat unglaublich viele Narben und ein dunkles Geheimnis, weshalb sein Charakter am Anfang sehr verschlossen wirkt.

--- Was mir sehr gefallen hat ---

Micah hat eine unglaublich tolle Art. Wenn ich ihr während meines Studiums begegnet wäre, hätte ich sofort mit ihr Freundschaft geschlossen. Mir hat ihr frecher Charakter von Anfang an gefallen, wie sie verbal Grenzen überschreitet und sich immer wieder gegen ihre starren Eltern (humorvoll) auflehnt. Manches Mal machte ich selbst große Augen bei dem was sie so von sich gab. Gleichzeitig liebt sie aber ihre Eltern und das fand ich bewunderswert – andere Teenager an ihrer Stelle hätten ihre Eltern vermutlich gehasst.

Laura Kneidl versteht es, die Neugierde aufrecht zu erhalten. Das ganze Buch über war ich extrem gespannt darauf, was denn nun das besagte Geheimnis um Julian wäre. Ich habe mir wirklich allerhand ausgemalt und dennoch wurde ich dann, als es aufgelöst wurde, sehr überrascht! Das fand ich extrem genial – denn als ich so drüber nachdachte, gab es eigentlich unzählige kleine versteckte Hinweise. Selbst der Titel ist nicht willkürlich. Das ist für mich Talent. Die Botschaft, die dann hinter diesem Geheimnis stand, war für mich sehr berührend. Ganz großes Lob!

--- Was mir weniger gefallen hat ---

Das Buch zog sich sehr hin. Viele Gedankengänge seitens Micah wiederholten sich mehrere Male und obwohl das natürlich menschlich ist, hätte ich das in einem Roman nicht unbedingt gebraucht.

Als das Geheimnis dann (endlich!) gelüftet wurde, ging mir anschließend alles ein bisschen zu schnell, paradoxerweise. Micahs Auseinandersetzung damit war dann extrem harmonisch und verständnisvoll. Das fand ich zwar bewunderswert, aber leicht unrealistisch – zumindest ein kurzer Schock hätte mir persönlich gut getan. Ihre Reaktionen waren so voller Liebe, was natürlich auch die wichtige Botschaft dieses Buches war, aber dennoch nahm ich das nicht ab – es ging mir einfach zu schnell. Ich glaube die realistischere Auseinandersetzung damit hätte mehr Zeit gebraucht. Liebe und Verständnis sind natürlich wichtige Schlüssel dafür, worauf Laura Kneidl auch sehr gut aufmerksam gemacht hat, aber Zeit wäre noch der realistischere (dritte) Schlüssel dazu gewesen.

--- Mein Fazit ---

Das Buch wird vermutlich aus ewig in meinem Herzen bleiben, weil ich die Thematik dann zum Schluss doch sehr berührend und wichtig fand. Einzig und allein die Langatmigkeit der ersten 400 Seiten und dann die schnelle Akzeptanz (die zwar auf der einen Seite meinen Respekt verdient, aber irgendwie auch unrealistisch war) haben mich etwas gestört. Alles in allem aber ein ganz wunderbares Buch, das die Aufmerksamkeit, die es bekommen hat, verdient.