Rezension

Tiefgang, Komplexität aber trotzdem schön

Niemand liebt November - Antonia Michaelis

Niemand liebt November
von Antonia Michaelis

Bewertet mit 5 Sternen

Zwei Fragen. Erstens: Ist es sinnvoll, weiterzuleben? Zweitens: Ist es sinnvoll, alleine Geburtstag zu feiern?

Kurz vor ihrem sechsten Geburtstag verschwinden Novembers Eltern.Seitdem stellt sie sich die Frage, ob es sinnvoll ist, seinen Geburtstag alleine zu feiern und ob es sich überhaupt lohnt, weiterzuleben? November wird von Pflegefamilie zu Pflegefamilie weitergereicht. Mit siebzehn Jahren reißt sie aus der betreuten WG aus, um ihre Eltern zu suchen, weil sie einen Hinweis auf ihren Vater bekommen hat. Zusammen mit ihrer Katze „Katze“ macht sie sich auf den Weg zum „Bottled“, einer Kneipe, in der sie Katja kennen lernt. Dieser höchst eigenwillige Mann wird eine Zeit lang Novembers Stütze. Doch die Dinge entwickeln sich immer anders, als man denkt, und Menschen kann man immer nur vor den Kopf schauen.

„Niemand liebt November“ lag schon ewig auf meinem SuB, und ich habe mich wahnsinnig auf diese Geschichte gefreut.Mit dem, was mich dann erwartet hat, habe ich nicht gerechnet. Ich bin davon ausgegangen, dass es sich hier um einen seichten Jugendroman handelt, den man mal zur Entspannung lesen kann. Weit gefehlt. Antonia Michaelis' Buchklingt lange nach, und zwar nicht, weil es sich um eine außergewöhnliche Story handelt. Nein, irgendwie wurde die Handlung für mich zur Nebensächlichkeit. Die Figuren sind so liebevoll und trotzdem komplex gestaltet, dass ich das Buch nicht aus der Hand legen konnte. Alleine die Figur „November“ ist im wahrsten Sinne des Wortes eine vielschichtige Person. Auf der einen Seite das Kind, der festen Überzeugung, dass ihre Eltern sie gesucht und vermisst haben, auf der anderen Seite eine junge Erwachsene, die abgeklärt und intelligent wirkt.

Ihre Beziehung zu Katze mag für viele kindisch und gekünstelt wirken, aber für mich (als Katzensklavin) konnte ich Novembers Gefühle für Katze nachvollziehen und auch einige dieser Eigenarten bei meinen Katzen finden :)

Trotz der Zielgruppe schreckt die Autorin nicht davor zurück, Brutalität auch beim Wort zu nennen und auszuschreiben. Beim Lesen hatte ich stellenweise so viel Mitgefühl mit November, dass ich mich dabei erwischt habe, diese Stellen nur zu überfliegen. Auch die Auch die traurige, fast schon depressive Atmosphäre tut ihr Übriges.

Völlig unerwartet in diesem Genre war für mich der bildreiche Schreibstil der Autorin. Zum einen anspruchsvoll weil hochgestochen, aber trotzdem hat sie immer die absolut passenden Worte und Sätze gefunden. Die Emotionen sind authentisch. Abgerundet wurde das Ganze, indem jedes Kapitel mit einem kurzen Gedicht eingeleitet wurde. Den Sog, den dieses Buch auf mich ausgeübt hat, habe ich noch nicht oft erlebt.

Die Handlung ist unvorhersehbar und das ist für mich immer ein wichtiges Kriterium, welches man vorher ja oft nicht kennt. Das hat die ganze Geschichte für mich noch viel lesenswerter gemacht, weil man überrascht wurde.

Mein erstes, aber sicherlich nicht letztes Buch von Antonia Michaelis und eine klare Leseempfehlung. Verdiente volle Punktzahl!