Rezension

Tiefgehende Sommerlektüre ahoi!

Es duftet nach Sommer - Huntley Fitzpatrick

Es duftet nach Sommer
von Huntley Fitzpatrick

Bewertet mit 4 Sternen

"Es kommt mir vor, als wäre es ewig her, seit ich das letzte Mal "hier" sein konnte, ohne "da" zu sein und "da auch noch" und "eventuell dort auch?" Aber all das existiert nicht. Es gibt nur mich, Cass und das blaue Meer."
["Es duftet nach Sommer" // Huntley Fitzpatrick // S. 284]

Erster Satz:
Nichts kann mir die Stimmung so vermiesen wie eine Wagenladung Jungs.

Inhalt:
Das Leben der siebzehnjährigen Gwen ist bestimmt von Arbeit, jobbt sie doch jeden Sommer bei ihrem Vater im Restaurant und muss Geld zu Hause abgeben, damit ihre Familie über die Runden kommt. Diesen Sommer jedoch soll alles anders auf der Insel Seashell werden, denn Gwen nimmt einen Job bei der alten, pflegebedürftigen Mrs. E an - außerdem läuft sie ständig dem reichen Cassidy Somers über den Weg und von dem will sie nun wirklich gar nichts mehr wissen. Doch ganz egal, wo sie ist, Cassidy scheint ganz in der Nähe zu sein und so bleibt Gwen gar nichts anderes übrig, als ihre gemeinsame Vergangenheit aufzuarbeiten. Schon bald muss sie feststellen, dass die Wahrheit manchmal ganz anders aussieht und in einem alles verändernden Sommer stellt sich langsam heraus, was das Leben noch alles bereithalten könnte...

Meine Meinung:
Sommer, Sonne, Meer - und leichte Lektüre. Zumindest verbinden wohl die allermeisten mit dem Sommer lockerleichte Strandbücher, die einem das Gefühl eines perfekten Sommers vermitteln; dazu eine Romanze, wenig zum Nachdenken und fertig ist die Geschichte. Das die Sommerlektüre aber auch anders kann, zeigt Es duftet nach Sommer mit eindringlicher Präsenz, denn diese ruhige und melancholische Sommergeschichte geht in die Tiefe. Und nicht nur das: Sie verbindet Sommerromanze mit dem alltäglichen Leben, verwebt Meer und Sonne mit Leben und Veränderungen und bringt frischen Küstenwind in das Jugendbuchgenre - und da kann man die ein oder andere Schwäche gerne mal verzeihen, die das Buch auf Grund einiger Längen einfach hat. Dennoch ergibt sich am Ende eine bittersüße Geschichte, die wie Zitroneneis schmeckt - erfrischend, sauer und gleichzeitig süß!

"Es duftet nach Sommer" spielt wie das Leben selbst seine eigene Melodie. Es ist ein Buch, dem ein roter Faden größtenteils abgeht, ein Buch, das eigene Wege geht und dabei öfter mal die Richtung wechselt und gerade diese Unbeständigkeit hat mir besonders gut gefallen. Das Buch spiegelt das Leben in so vielen Facetten wieder und schafft es dabei trotzdem ganz die Sommerlektüre zu sein, die man lesen wollte, dass es am Ende fast schon traurig ist, sich von den liebgewonnen Figuren zu trennen. Natürlich bringt diese Unbeständigkeit aber auch den ein oder anderen Makel mit sich, denn so oft das Buch auch zum Nachdenken anregt und bittersüße Stimmung verbreitet, genauso oft läuft es auch ins Nichts und erzählt passagenlang etwas eintönig vom Alltag. Das muss man mögen und auch wenn es stellenweise etwas zäh und langatmig ist, ist auch das eine Facette des Buches, die mich irgendwie beeindruckt hat.

"Und es ist schwer und seltsam, nicht mehr das barfüßige Mädchen und der flachsblonde Junge zu sein, die über den Sand zum Wasser laufen, ganz Beine und Ellenbogen und völlig unbefangen. Plötzlich rückt man ans Ende seines Jahrzehnts heran - und zack, es spielt eine Rolle, welche Wahl man trifft. [...] Es geht um Das Leben. Wie Nic schon sagte: Plötzlich sind wir sooo nah dran, den falschen Zug zu machen, oder den richtigen. Jetzt kommt es drauf an."
[S. 280]

Größtenteils liegt der Zauber aber bei den Figuren, denn die sind wirklich faszinierend gut gezeichnet. Allen voran ist da Gwen, die eine außergewöhnliche Figur ist, gerade, weil sie so anders ist, als andere Protagistinnen - sie sticht aus der Masse hervor und ist doch genauso ein Mensch, wie du und ich. Diese Lebensnähe lässt sie echt und dreidimensional wirken, ebenso wie die anderen Figuren. Cassidy und Mrs. E, genau so sehr wie Nic und Vivien, Gwens Vater Mike und ihre Mutter, aber auch ihr kleiner Bruder und überhaupt - diese ganzen liebevollen Details, die Fitzpatrick gekonnt in die Geschichte einflechtet und Nebenhandlungen in Haupthandlungen übergehen, all das wirkt so echt und real, dass man manchmal das Gefühl hat, man würde neben Gwen wohnen und sie aus dem Fenster beobachten. Gerade auch die Dialoge zwischen den Figuren, besonders zwischen Gwen und Cassidy waren einfach unglaublich gelungen und authentisch.

Neben salzig schmeckendem Wind und allerlei Krustentieren gibt Es duftet nach Sommer aber noch viel mehr. Themen wie Sexualität, Identität, familiäre Probleme und die ganze Suche nach sich selbst spielen eine Rolle und werden in jeder Hinsicht gut umgesetzt. Dabei ist diese Geschichte eine von denen, für die man sich Zeit lassen muss. Es ist kein Buch, dass man in einem wegliest. Vielmehr ist es eine Geschichte, in die man versinkt und die man genießen kann - vorzugsweise irgendwo am Strand, obwohl das eigentlich gar nicht nötig ist. Fitzpatrick schafft eine Atmosphäre, die einen das Meer riechen, die raue Luft spüren und die Hummersauce von Gwens Opa schmecken lässt. Gepaart mit einem kurzsätzigen wie faszinierenden Schreibstil, an den ich mich erst einmal gewöhnen musste, ist Es duftet nach Sommer ein anderes Sommerbuch. Eines, das einem im Gedächtnis bleibt.

Fazit:
Es duftet nach Sommer, es riecht nach Meer und es schmeckt nach Leben - dieses Buch erfasst alle Sinne und zeigt, dass eine Sommerlektüre nicht immer nur leicht und locker sein muss. Mit viel Gefühl, liebevollen Details und Warmherzigkeit erzählt Huntley Fitzpatrick eine ganz besondere Sommergeschichte, die sich tief ins Leserherz bohrt und vor allen Dingen vom Leben selbst geschrieben sein könnte. Man sucht und findet die Liebe, erkundet eine verträumte und raue Insel, sieht Freundschaft und Familie und bekommt eine Extraportion Leben dazu. Es duftet nach Sommer ist ein schönes Buch, dem man kleine Fehler nur allzu gern verzeiht. Unbedingt lesen - Sommerlektüre ahoi!