Rezension

Tiefgründige Gedanken, vor allem über die Liebe

Die einzige Geschichte - Julian Barnes

Die einzige Geschichte
von Julian Barnes

Bewertet mit 5 Sternen

Paul, der Liebende, erzählt und denkt nach, denkt nach und erzählt. Tiefer und weiter, als es eigentlich möglich ist.

Der neunzehnjährige Paul begegnet im Tennisclub der achtundvierzigjährigen Susan und verliebt sich in sie. So stark sind seine Gefühle, dass er allen Widrigkeiten zu trotzen und diese Liebe zu leben versucht.

Die Konstellation der Liebenden macht neugierig. Etwas ungläubig staunt man über die Leichtfertigkeit und die Gewissheit, mit welcher der junge Protagonist sich für diese Beziehung entscheidet. Man ahnt, nein, weiß natürlich, dass Schwierigkeiten vorprogrammiert sind, fragt sich, wie sie sich wohl auswirken werden. Aber nein, nicht der Altersunterschied wird das große Thema bleiben. Vielleicht gibt es den nur, um zu zeigen, dass auch unter extremen, unter individuellsten Voraussetzungen anderes in den Vordergrund tritt, das stark genug ist, alle anzugehen, die sich auf das große Abenteuer Liebe einlassen. Verantwortung, Schuld, Freiheit … die wichtigen moralischen Werte gelangen hier zum Einsatz.

Julian Barnes lässt Paul als alten Mann diese Geschichte rückblickend in drei Abschnitten erzählen. Und wie der sie erzählt! Gnadenlos ehrlich tastet er in Wahrheiten umher. Um sie, wenn er sie gefunden hat, umgehend anzuzweifeln. Auch das scheinbar Selbstverständliche wird seziert und klug hinterfragt. Jedes Wort, jeder Gedanke wird geprüft und abgewogen. Bilder werden benutzt, die im Verlauf der Handlung gleich, ähnlich oder anders in weiteren Zusammenhängen wieder auftauchen und dabei überraschend neue Aussagen produzieren, dadurch eine Art Eigenleben entwickeln.

Immer wieder gibt es Textstellen, denen es nachzuspüren gilt. Die durch ihre Intensität beinahe haptisch erscheinen. Deren Tiefe ausgelotet und deren Weite umfasst werden möchten.

Es fällt auf, dass, wenn diese Sätze ihrem Kontext entnommen werden, sie einen Großteil ihres Zaubers verlieren. Das zeigt noch einmal, wie rund das alles ist, wie meisterlich aufgebaut, und welch kostbare Essenzen aus dem ständigem Widerspiel der Gedanken entstehen.

Dieses Buch ist ein Juwel, nicht zum Verschlingen, sondern zum Genießen erschaffen.