Rezension

Tiefgründiger Dating-Roman

Gespenster -

Gespenster
von Dolly Alderton

Eine englische Hetero-Frau Anfang dreißig mit dem hippen Beruf "Food-Journalistin" erzählt von ihren Online-Dating-Erfahrungen. Das klingt erstmal wie eine Millennium-"Bridget Jones" nur in (mental-)healthy also ohne Zigaretten und ständiges Kalorienzählen. Aber ob auch Nina (Zweitname George wegen George Michael) ihren Mr. Dacy - wenn überhaupt - auf ähnlich humorvolle Weise findet? Ich sage ganz unendeutig: Jein. Denn “Gespenster” bzw. “Ghosts” - der englische Titel passt meiner Meinung nach besser zum Thema - ist ein ganz neues Partnersuche-Buch, das perfekt in unsere Zeit passt.

Genau wie die Single-Ikone der späten 1990er Jahre möchte auch die Protagonistin von "Gespenster" ihr "spätes" Singledasein beenden. Doch anders als bei Bridget gibt es in den 2020er Jahren für Singles einen entscheidenden Vorteil: Online-Dating, der potenzielle Partner fürs Leben ist also nur einen Klick weit entfernt. Doch so einfach ist die ganze Sache nicht, denn genauso unkompliziert man sich durch die neuen Medien daten kann, genauso leicht machen es sich manche wenn es darum geht aus dem Leben der “gedateten” Person wieder zu verschwinden: sie "ghosten", lassen also einfach nichts mehr von sich hören, sind von einem auf den anderen Moment wie vom Erdbeben verschluckt. Auch Nina macht im Roman eine solche Erfahrung.

Aber dieses Buch ist so viel mehr als ein unterhaltsamer Frauenroman über das moderne Datingverhalten. Er greift das Lebensgefühl der "Millennials" auf, also der Generation der 1980-1999 geborenen Menschen, zu der auch ich gehöre. Der Roman spielt zwar in London und seinem Umland, könnte so aber auch in jeder anderen westlich geprägten Großstadt stattfinden. Wie fühlt sich eine junge Frau Anfang dreißig (Nina wurde 1986 geboren, der Roman spielt 2018-2019) angesichts von alternden und kranken Eltern (Ihr Vater hat fortschreitende Demenz), Freundinnen, die heiraten und Kinder kriegen und natürlich ghostenden Männern - all diese Themen werden im Roman aufgegriffen. Obwohl es sich super angefühlt hat den Roman zu lesen, ist er keine Feelgood-Frauenliteratur, denn auf das klischeehafte Happy End (Spoiler) müssen wir leider verzichten. Was wir als Leserin dagegen bekommen ist ein moderner, aus Ich-Perspektive erzählter Roman über das Leben und die Liebe wie sie heute sind, Corona und Pandemie noch nicht inbegriffen. Ich hatte ein digitales Exemplar und habe mir dann nochmal das Hardcover gekauft, weil mir das Buch so gut gefallen hat. Ich wollte diese von so treffenden Ansichten und Lebensweisheiten durchzogene Geschichte einfach im Regal stehen haben um sie jederzeit rauszuholen und nochmal darin lesen zu können. Ein tolles Buch, nicht nur für Singlefrauen!