Rezension

Tiefgründiger Roman über die innere Zerrissenheit der Türkei

Glückseligkeit
von Zülfü Livaneli

In diesem 2002 erschienenem Werk nutzt Livaneli das Schicksal der 17jährigen Maja, um auf die allgemeine innere Zerrissenheit der türkischen Gesellschaft aufmerksam zu machen. Auf der einen Seite die von tiefer Religiosität, Aberglauben, patriarchalischer Koraninterpetation und Mythen geprägte, auf der anderen Seite dem westlichen Mammon huldigende, vom Glauben abgekommene, nihilistische Seite.

Livaneli nutzt hierzu zwei Handlungsstränge: 
Maja, eine Halbwaise aus einer kleinen ostanatolischen Stadt, wird von ihrem Onkel, der gleichzeitig auch der Iman des Ortes ist vergewaltigt. Dieser Onkel beschuldigt sie daraufhin einer großen Sünde und verurteilt sie zum Tode. Da ihm durchaus bewußt ist, dass dies auch in der Türkei Mord ist, wird ihr Cousin Cemal, ein Soldat gegen die PKK auf Heimaturlaub, beauftragt sie nach Istambul zu bringen, um in der Anonymität der Großstadt das Urteil unbemerkt zu vollstrecken.
Irfan, ein aus einfachen Verhältnissen stammender Universitätsprofessor ist durch Heirat mit einer superreichen Reedereitochter in der obersten Schicht der Istambuler Gesellschaft angekommen. Er befindet sich in einer tiefen Sinnkrise und beschließt daraufhin seine Frau zu verlassen und sein bisheriges Leben hinter sich zu lassen.
Die absolute Gegensätzlichkeit dieser zwei Welten wird deutlich, als diese drei Personen aufeinandertreffen.  
Viele Einschübe und Verweise auf orientalische Mythologie erschweren mitunter den Lesefluß führen aber auch zu einem besseren Verständnis der türkischen (osmanischen?) Gesellschaft. Glücklicherweise gibt es im Anhang ein umfangreiches Glossar.
Wer einen plakativen Roman über Ehrenmord erwartet, wird enttäuscht sein. Auf diesen vielschichtigen Roman muss man sich einlassen.