Rezension

Tiefsinnig, aber auch klischeehaft

On The Come Up - Angie Thomas

On The Come Up
von Angie Thomas

Bewertet mit 3.5 Sternen

Brianna ist sechzehn und hat nur einen großen Traum: sie will Rapperin werden. Ihr Talent zu scharfzüngigen Texten wurde ihr schon von ihrem Vater, der Raplegende Lawless in die Wiege gelegt und leider weiß das junge Mädchen nur allzu gut, worüber sie da schreibt. Ihr Viertel, Garden Heights, ist für Drogen- und Gewaltexzesse bekannt. Rivalisierende Gangs bekriegen sich und in einer dieser Auseinandersetzungen wurde Briannas Vater erschossen. Ihre Mutter Jay war lange Zeit drogenabhängig und ist erst seit einigen Jahren wieder clean, Tante Pooh hingegen dealt immer noch mit Drogen und ist oft tagelang verschwunden. Einzige Rettungsanker in all diesem Chaos sind ihr Bruder Trey, der Psychologie studiert hat und nun als Pizzabäcker seine Familie unterstützen muss sowie ihre besten Freunde Sonny und Malik. Doch dann gibt es einen Vorfall an Briannas Schule, der alles verändern soll. Ihn nutzt sie für einen eigenen Song, einen wütenden Song mit deutlichen Worten. Schnell wird sie erfolgreich, ist in zahlreichen Schlagzeilen, doch Ruhm und Provokation haben leider immer ihren Preis.

"On the come up" ist ein Buch, das nicht ganz einfach zu lesen ist. Wer wie ich kein Teenie mehr ist und außerdem keinerlei Kenntnisse über Rap-Musik hat, der hat mit der Sprache wirklich zu kämpfen. Hier wird geswaggt und gedabbt. Dinge sind nicht cool, sondern dope. Es gibt keine Kriminellen, sondern Hoodlums und für einen guten Rapmusiker sind außerdem Begriffe wie Bridge, Flow, Hook oder Punch Line wichtig. Ein Glossar am Ende ist zwar vorhanden - wer jedoch nicht auf jeder Seite mehrere Wörter nachschlagen will, lässt dieses erst einmal beiseite. Um die Handlung zu unterstützen sind immer wieder Briannas Songtexte eingebaut, die oft im Freestyle, also spontan aus dem Bauch heraus entstehen und es in sich haben. Und dennoch: trotz der offensichtlichen Tatsache, dass ich nicht zu seiner Zielgruppe gehöre, entwickelt das Buch definitiv einen Sog. Da ist zum Beispiel der sympathische Sonny, der ein wenig an Blue aus "Love, Simon" erinnert - eine Anspielung, die Angie Thomas übrigens selbst zitiert. Oder Trey, der seiner Schwester Kritiker, moralischer Maßstab und Schulter zum Anlehnen zugleich ist.

Angie Thomas greift, wie auch schon in ihrem ersten Roman "The hate U give", Themen auf, die bewegen: Polizei- bzw. staatliche Gewalt gegen jeden, der das Pech hat, keine weiße Hautfarbe zu haben. Problemviertel, die vor sich hinvegetieren, ohne dass jemand den Familien, die dort leben, eine faire Chance gibt. Eltern und Kinder, die unter dem Druck zerbrechen und oft keinen Ausweg mehr wissen. Dabei hebt die Autorin nicht drohend den Zeigefinger, sondern macht am Beispiel ihrer Protagonistin deutlich, welche Konsequenzen all das hat. Vor allem zum Ende des Romanes hin überschlagen sich die Ereignisse geradezu, so dass man sich für die lieb gewonnen Figuren irgendwann einfach nur ein paar Momente der Ruhe wünscht. Dabei wird jedoch auch nicht mit Klischees gespart: das unvermeidliche Liebesdreieck, der heimliche Homosexuelle und der Aufstieg des rappenden Teenies quasi zum Superstar sind nun doch etwas zu viel des Guten. Hier wäre weniger tatsächlich mehr gewesen.

Brianna selbst ist auf jeden Fall eine Figur mit Ecken und Kanten. Eigentlich unglaublich schlau und reflektiert, dann wieder zügellos wütend und respektlos. Mal Feministin, mal anlehnungsbedürftig. Liebende Schwester, Tochter und Freundin, aber auch keifende Ghetto-Furie, wenn es die Situation erfordert. Gerade dieser Widerspruch, dieser innere Konflikt ist es, der sie ausmacht. Wie die Gesellschaft sie sieht und wie Brianna in ihrem Innersten ist, das sind zwei völlig unterschiedliche Dinge, die auch sie erst einmal miteinander in Einklang bringen muss. "On the come up" begleitet sie auf diesem Weg, dem Weg zum "Come Up", also zum großen Durchbruch: musikalisch und privat.

Fazit: ein tiefsinniges Jugendbuch mit einigen kleineren Schwächen