Rezension

Tirol, unsere Liebe.

Bergland -

Bergland
von Jarka Kubsova

Bewertet mit 5 Sternen

Muss man gelesen oder gehört haben! Mein Lesehighlight 2022

In dem Roman „Bergland“ von Jarka Kubsova, steht die Natur im Vordergrund. Die Geschichte spielt in Südtirol auf einem Hof namens Innerleit, dieser befindet sich haarscharf an der Anbaugrenze. Oberhalb des Hofes gibt es nur noch wildes steiniges Bergland. Das Panorama ist gewaltig. 

Die Geschichte setzt früh an, lange vor dem Zweiten Weltkrieg und schildert anhand der Bergbauern die schmerzhaften Veränderungen Tirols in Laufe seiner Geschichte. Ob Tirol zu Italien oder zu Deutschland gehören soll, ist den dort lebenden Bauern im Prinzip egal, wenn nicht entweder die einen oder die anderen einem vorschreiben wollten, welche Sprache man zu sprechen hat oder andere unerfüllbare Ansprüche stellen. 

In der Nähe des Innerleit, in Sichtweite, aber eben nicht direkt nebenan, liegen die anderen Höfe. Man ist Nachbar, wenn man die Rauchfahne des anderen Gehöfts sehen kann. Jeder kämpft ums Überleben. Jeder hilft jedem. Das ist selbstverständlich. Dennoch wird das Leben immer problematischer zu bewältigen, denn vor dem Zweiten Weltkrieg hatte man wenigstens noch die Männer.

 Ja, das Leben war hart, aber regelmässig. Die Bauern kannten sich aus mit dem Wetter, der Saat, dem Vieh. Das Vieh lebte draussen. Es hatte noch ein Leben, das so genannt werden konnte. Das sollte sich später leider ändern. Denn irgendwann wird auch der Innerleit von der Moderne eingeholt. Auf den Hof kommen Maschinen, die Tiere sind keine Geschöpfe mehr, sondern Lieferungsprodukte, barbarisch geht der Mensch mit dem Vieh um, der Tourismus entwickelt sich, einerseits wird das Leben leichter, aber andererseits entstehen neue Zwänge. Und die Seelen verkümmern. 

Der Kommentar. 
Wie Jarka Kubsova diese Zusammenhänge schildert und organisch eins aus dem anderen entwickelt anhand ihrer knorrigen Figuren, allen voran der starken Rosa, der Bäuerin, der nach dem Tod ihrer Brüder das Hoferbe zugefallen ist, das ist schon stark. Sowohl die wunderschöne Sprache wie auch die Geschichte selbst, sind von eigenartigem Zauber:  man sieht die Natur, man leidet im Winter und freut sich an den wenigen Freuden der Bergbauernkinder, man ist dabei, wie dem konservativen Vater endlich klar wird, dass er Rosa besser miteinbezogen hätte im Vermitteln der bäuerlichen Weisheiten als sie ein Kind war, wie er es mit den Buben machte, die einen Rechen in die Hand gedrückt bekamen, kaum, dass sie laufen konnten und bei allen seinen Tätigkeiten an seiner Seite waren. Er hat nur noch wenig Zeit, bevor er abtritt, das fühlt er. Und der Junge kommt nicht wieder. Wie lange er auch wartet. Die spärliche Zeit, die ihm bleibt nutzt er, um mit Rosa über sein Land zu gehen und sie zu unterweisen. „Hier musst du das pflanzen, bevor du das machst, dort musst du dies und das berücksichtigen“. Nichts wird aufgeschrieben, aber Rosa wird sich erinnern. Denn bald gehört ihr der Hof. Und Rosa wird außerdem, weil sie nicht nur stark, sondern auch intelligent ist und einen besonderen Bezug zur Natur hat, man nennt es Heimatliebe und Erdverbundenheit, neue Entdeckungen machen und neue Wege gehen. Wege, die von der dritten Generation zögerlich wiederentdeckt werden. Wenn man endlich, endlich, die Nachhaltigkeit von früher mit der Moderne verbindet. 

Das Zusammenwirken der kargen Natur und der kargen Menschen, ihre Nöte, ihre Herzensangelegenheiten, die sie immer dem Hof unterodnen mussten, das Zerstören der Natur und die Kritik am Bergtourismus, dies alles zusammen, hat mich nachhaltig beeindruckt, sogar mitgenommen. Gelesen wird der Roman im Hörbuch auch wunderbarst von Britta Steffenhagen. 

Fazit. Ein Bauernroman, der spielend leicht eine Brücke von Alt nach Neu schlägt und keineswegs dem Klischee des alten Heimatromans zugeordnet werden kann. 

Mein Lesehighlight 2022, eine dicke Leseempfehlung! 

Kategorie: Roman. Mit Anspruch.
Verlag: Der Hörverlag, 2021
Goldmann, 2021