Rezension

Todesstille

Still Chronik eines Mörders - Thomas Raab

Still Chronik eines Mörders
von Thomas Raab

Bewertet mit 5 Sternen

Mein erste Highlight 2015 und eine absolute Leseempfehlung!

In „Still - Chronik eines Mörders“ erzählt Thomas Raab die Lebensgeschichte von Karl Heidemann. Karls Welt ist schon vor seiner Geburt kein friedlicher Ort. Er leidet an einem übersteigerten Hörvermögen, einer krankhafte Feinhörigkeit. Jedes Geräusch ist ihm Schmerz, selbst der eigene Herzschlag und der seiner Mutter. Nur eines verschafft Karl Heidemann Erlösung von der unendlichen Qual des allgegenwärtigen Lärms: die Stille des Todes. Dabei ist er im eigentliche Sinn kein Mörder, sondern eher ein Todesengel. „Nicht die geringste Spur des Bösen findet sich in Karls Gedanken.“ Für ihn ist der Tod ein Geschenk, das er gerne, selbstlos und reichlich gibt.

 

Ich habe bisher nur Krimis von Thomas Raab gelesen und genau das habe ich auch bei „Still“ erwartet. Zwar keinen aus der Metzger-Serie, die ich sehr liebe, sondern ein Standalone – aber einen Krimi. Ich habe aber viel mehr bekommen. Einen großartigen Roman. Das detaillierte Psychogramm eines gequälten Menschen mit stark ausgeprägten autistischen Zügen. Eine verzweifelte Odysse auf der Suche nach innerem Frieden, Glück und die immer gegenwärtige Sehnsucht nach Liebe. Karl Heidemann, ein Außenseiter, der nicht in diese Welt passt. Er versteht die Menschen nicht und sie ihn ebenso wenig.

 

Sprachlich spielt Thomas Raab auf einer Klaviatur, die viele Oktaven umfasst. Von nüchternen, tagebuchartigen Eintragungen über poetische Schilderungen bis hin zum unsortierten gedanklichen Gestammel erstreckt sich die Bandbreite. Immer passend zum Geschehen und zur emotionalen Befindlichkeit des  Erzählers. Das kann man nicht besser machen!

 

Hut ab Herr Raab! Das ist ein großartiges Buch! Spannender als jeder Krimi. Ein Buch, das mich schon nach wenigen Seiten ganz in seinen Bann geschlagen hat. Die Geschichte entwickelt einen gewaltigen Sog und lässt einen tief eintauchen in Karls Gefühlswelt. So tief, dass man ihn wirklich versteht. Und nicht nur ihn, auch die Nebenrollen sind brillant besetzt und ausgeführt.

 

„Still - Chronik eines Mörders“ – mein erste Highlight 2015 und eine absolute Leseempfehlung!