Rezension

Tolle Geschichte

Das Flüstern der Bienen -

Das Flüstern der Bienen
von Sofia Segovia

Bewertet mit 5 Sternen

Mexiko im frühen 20. Jahrhundert. Rückwirkend wird die Geschichte eines ausgesetzten Jungen geschildert. Unter einer einsamen Brücke gefunden und umgeben von einem Schwarm Bienen, wird Simonopio von einer wohlhabenden Familie als Ziehsohn adoptiert und schläft mit zunehmendem Alter in einer Hütte unter einem Dach von Bienen. Er kann zwar nicht sprechen, sich aber dafür mit seinem Bienenschwarm verständigen. Als Mitglied der geflügelten Familie folgt er ihnen, wenn sie ausschwärmen, lernt von ihnen das Wetter am Himmel abzulesen und sieht durch ihre Augen, was sich hinten den Hügeln befindet. Klingt absurd, ist ihm jedoch eine außerfewöhnliche Gabe, die seine Familie nicht nur einmal rettet. Denn das Buch ist nicht nur seine Geschichte, sondern auch die seiner Familie. Im Wandel der Zeit durchläuft diese Schicksalsschläge persönlicher wie politischer Natur, vor welcher der Bienenjunge sie nicht nur einmal im Voraus warnen kann. Dennoch prägen Agrarreformen, die Spanische Grippe und Mord das Familienleben. Viel Inhalt für ein Buch, das wirklich vollgepackt von Themen ist, aber allesamt toll verarbeitet.

In einer märchenhaften, metaphorischen Sprache werden Bilder aus Aromen und Tönen gezeichnet. Und das nicht nur kurzweilig, viele Szenen betören den Leser mit einer eigensinnigen Kulisse auf einem duftenden Klangteppich. Man kann das Buch mit allen Sinnen erleben. Emotional erlebt man Auf und Abs einer Familie; Viele Szenen werden aus verschiedenen Blickwinkeln vorgestellt, das Buch ruft auf zu Sensibilität und Mitgefühl, sich der Geschichte hinzugeben und zu lauschen.

Mit dem amüsant-komischen Flair eines Wes-Anderson-Films springt jemand dem Tod von der Schippe, indem er sich dem langweiligen Warten auf das Sterben, das nicht schnell genug einsetzt, verweigert. Klingt absurd, doch ich habe mich köstlich amüsiert, das ist Unterhaltung vom feinsten.

Es gibt keine allzu unerwarteten Wendungen im Buch, da uns von Anfang an alle handelnden Charaktere an ihren Gedanken, Emotionen und Plänen teilhaben lassen. Zwischendurch ist das Buch kurzweilig etwas langatmig, aber dennoch führt eine allmählich teilweise radikale Reduzierung der Kapitellänge (auf Teilweise ganze zwei Sätze!) zu einem enormen Spannungsbogen, in welcher die Geschichte voranprescht. Obwohl das Buch sanft ist wie das Flügelschlagen einer Biene, passiert so viel und es war wirklich eine große Freude, dem Werdegang der Familie um den Jungen zu folgen. Ganz große Erzählkunst.