Rezension

Tolle Geschichte!

Auswandertag - Klaus Oppitz

Auswandertag
von Klaus Oppitz

Bewertet mit 5 Sternen

Die Geschichte:
Die Familie Putschek (eigentlich Putschek/Brummer, da die Eltern in wilder Ehe leben) besteht aus Mutter Chiara, Vater Fabian, der 15-jährigen Valentina und ihrem 21-jährigen Bruder Maximilian. Im Buch erzählen diese vier Protagonisten abwechselnd in kurzen Kapiteln jeweils ihre Sicht der Dinge. Schon allein dieser Umstand macht das Ganze recht unterhaltsam, denn schließlich gehen die Meinungen über ein und dieselbe Sache oft weit auseinander.

Im abgeschotteten Österreich lebt es sich leider nicht ganz so gut, zumindest die Familie Putschek hat mit einigen Problemen zu kämpfen. Maxl hat als Einziger einen Job, Chiara verbringt die meiste Zeit mit der Vertiefung ihres Glaubens und Fabian täuscht sich mit seiner Illusion der Selbständigkeit über die Arbeitsmisere hinweg.
Dann stirbt die “Putschi-Omi” und Fabian zeigt sich sehr großzügig: die letzten Familienersparnisse gehen für die opulente Beerdigung drauf. Doch natürlich hat er – wie immer – bereits einen grandiosen Plan: er räumt die Wohnung der Oma aus und macht auch vor deren Konto nicht Halt. Dumm nur, dass die Oma ihren gesamten Nachlass der regierenden Partei vermacht hatte.
Valli hat schließlich die kühne Idee, das Land zu verlassen, um in die Türkei zu flüchten.

“Mit einem Auto, das ausgeschaut hat wie die Nachbildung einer ägyptischen Pyramide aus Haushaltsmüll, wären wir nämlich noch eher in die EU gekommen als mit dem Pass vom Papa.”
Zitat Seite 125

Schnell zeigt sich, dass dieses Unterfangen alles andere als einfach ist. Nur mit Hilfe eines Schleppers landen sie schließlich in der Türkei. Was dort auf sie wartet, hätte sich die Familie Putschek/Brummer allerdings so niemals vorstellen können…

Meine Meinung:
Ein normaler 08/15-Schreibstil in langweiligem Hochdeutsch wäre sich angesichts dieser Story sicher “nicht ausgegangen”, weshalb wir uns nun an einer leicht derben dialektischen Ausdrucksweise erfreuen dürfen.

Die Protagonisten wirken sehr lebendig, was teilweise auch an der jeweiligen Ich-Erzählperspektive liegen mag, durch die man viel aus deren Gedanken- und Gefühlswelt erfährt.
Es würde mir schwer fallen, wenn ich mich für einen Lieblingscharakter entscheiden müsste. Irgendwie kann man die Beweggründe jedes Einzelnen gut nachvollziehen, doch die Familie findet einfach keinen gemeinsamen Nenner und sorgt damit für allerlei Zündstoff. Das erzeugt wiederum viel Erheiterung beim Leser, doch eigentlich ist es eher tragisch, wenn man genauer darüber nachdenkt.

Überhaupt ist die ganze Geschichte alles andere als lustig, auch wenn sie erzähltechnisch brillant-witzig vorgetragen wird, es ist eben Satire pur.
Die vielen absurd-komischen Figuren in dieser Story fand ich ebenso genial wie die ungewöhnlichen Situationen, in die die Familie ständig gerät. Stellenweise kommt auch leichte Spannung auf und einige Überraschungen machen das Buch zusätzlich zu einem echten Page-Turner.

Der Hintergrund ist eine durchaus ernste und sehr tragische Flüchtlingsgeschichte, wie sie Millionen von Menschen täglich wirklich erleben müssen. Das Buch ist damit Sozial- und Gesellschaftskritik in der schönsten Form: unterhaltsam, witzig und trotzdem nie seicht und belanglos, es regt zum weiteren Nachdenken an…

Fazit:
Eine tragische Familiengeschichte, in der nichts normal ist – und trotzdem alles sehr realistisch! Für den Leser ein satirisch-lustiges Vergnügen, für die Familie Putschek leider weniger erheiternd…