Rezension

Tolle Geschichte

Die Tuchvilla - Anne Jacobs

Die Tuchvilla
von Anne Jacobs

Bewertet mit 5 Sternen

Ein verträumtes Cover deutet eine liebliche Geschichte an. Im ersten Moment assoziierte ich mit diesem Buch eine weihnachtlich angehauchte Geschichte. Ich bin kein Fan von Weihnachtsbüchern und deshalb musste dieses Buch leider länger warten, bis ich es erlöst habe. Glücklicherweise bin ich bezügl. meines Irrtums aufgeklärt worden und in den Genuss gekommen, diesen ersten Teil der Tuchvilla -Trilogie inhallieren zu dürfen! Ja, ich sage inhalieren, weil ich regelrecht durch die Seiten geflogen bin!

Anne Jacobs hat mit Marie, Kitty und Elisabeth drei absolut verschiedene aber in sich glaubwürdige Charaktere erschaffen. Kitty, die wunderschöne, verwöhnte jüngere Tochter, durch und durch Künstlerin und die Emotionale in diesem Trio. Elisabeth, die Erstgeborene Melzer, nicht hübsch hat jedoch Grips und Organisationstalent. Sehr bodenständig und auch immer etwas neidisch auf die jüngere Schwester. Und Marie, das Waisenmädchen, stolz und besonnen, künstlerisch begabt und mit zwei Augen für Farben und Mode gesegnet. 

Ich habe sehr gerne die Entwicklung der drei jungen Frauen verfolgt, die sich bis zum Ende hin glaubwürdig verhalten. Nicht immer gelingt es jedem Autor seine Figuren konsequent, bis zum Schluss, agieren zu lassen. Bricht eine Figur mal aus, wurde sie leicht von Anne Jacobs wieder "eingefangen". Das hat mir sehr gefallen und darin sehe ich eine Stärke der Autorin. Auch die männlichen Protagonisten sind vielfältig und glaubwürdig. Natürlich ist von Beginn an klar, dass es ein Familiengeheimnis gibt, das im Laufe der Geschichte aufgedeckt wird. Dies wurde gekonnt in die Geschichte eingeflochten. Die eine oder andere Überraschung erfreute mich sehr, da man sich nicht auf einen 08/15-Plot einstellen muss und genau deshalb freudig am Ball bleibt und die Geschichte bis zum Ende hin gerne liest und genießt. 

Der Leser wird ein wenig in die Bearbeitung und die Herstellung von Stoffen eingeführt, ohne dass das Buch dabei zu technisch wird. Ein kleiner Einblick in die damaligen Maschinen wird gewährt und das mochte ich auch sehr.

Der Schreibstil war sehr angenehm. Keine ausufernden Beschreibungen und langatmiges Auseinanderziehen von Szenen, wie man es oft in dieser Art von Geschichten vorfindet. Genau die richtige Längen-Dosis hielt mich bei Leselaune. Nicht zu ausufernd und nicht zu knapp geschrieben. Zwischen manchen Kapiteln gibt es einen zeitlichen Fortschritt, in dem sich der Leser denken kann, was passiert ist. 

Für mein Empfinden lag der Fokus in diesem Band weniger auf -historisch- als auf -Familienepos-. Dies ist ein unterhaltsamer Roman, der in eine bestimmte zeithistorische Epoche eingebettet wurde. Der Erste Weltkrieg zeichnet sich ab und damit ist der Übergang zum Folgeband "Die Töchter der Tuchvilla" geschaffen, der im Jahre 1916 startet, wo Deutschland sich mitten im Krieg befindet.

Von mir gibt es eine absolute Leseempfehlung für alle, die historische Bücher lieben, vor einem Familienepos mit jeweils über 700 Seiten nicht zurückschrecken und gerne Familiengeheimnisse aufdecken.