Rezension

Tolle Heldin

Sweetgirl
von Travis Mulhauser

Bewertet mit 5 Sternen

Wieder einmal ist die Mutter der sechzehnjährigen Percy seit Tagen verschwunden und Percy hat eine Ahnung, wo sie sie finden kann. Denn Percys Mutter ist alkoholabhängig und drogensüchtig und es ist kein Geheimnis, dass sie immer wieder beim ortsbekannten Dealer Shelton zu Gast. Kurzerhand steigt Percy mitten im Schneesturm in ihren Truck und macht sich auf dem Weg zu Shelton. Doch im Hause des Dealers findet sie nicht ihre Mutter, wie sie zuerst noch erhofft hat, sondern trifft zuerst im Wohnzimmer auf Shelton und eine junge Frau. Beide sind so zugedröhnt, dass sie gar nichts mehr mitbekommen, selbst das jämmerliche Wimmern aus dem Obergeschoss bemerken die Beiden nicht. Percy sieht nach und kann es nicht fassen, ein kleines Baby liegt in einem Bettchen, bei geöffnetem Fenster. Das Baby, ein kleines Mädchen namens Jenna, ist in keinem guten Zustand und Percy sieht schnell: die Kleine braucht Hilfe. Sie nimmt Jenna kurzerhand mit und löst damit eine Lawine aus, mit der sie nicht gerechnet hätte.
Meine Meinung:
 Wow, was für ein hartes, aber durchaus gelungenes Debüt des Autors Travis Mulhauser, der mich hier absolut überzeugen konnte. Mit einem sehr guten und fließendem Schreibstil gelingt es dem Autor, mich von Beginn an an diese Geschichte zu fesseln und ich konnte erst mit dem Lesen aufhören, als die letzte Seite zu Ende war. Diese Geschichte ist trotz des sehr ernsten Themas voller schwarzem Humor und auch die Protagonistin Percy ist hier ein absolut überzeugender Charakter, die oftmals  mit einer Portion Selbstironie agiert.
Die Spannung ist von Beginn an gegeben, denn ich konnte mich sehr schnell in die junge Frau versetzen und habe alles mit ihr zusammen erlebt. Diese spannende Jagd quer durch die verschneite Landschaft war zum Teil aberwitzig, aber dabei auch spannend und originell. Allein der Drogendealer Shelton, der nicht unbedingt die hellste Kerze auf der Torte ist, brachte mich dazu, nachzudenken, denn hier macht alles seinen Sinn oder zeigte halt, wie wenig Sinn manches macht. Auf jeden Fall ist hier eines sicher, Mulhauser verschönigt nichts in seinem Roman und er schafft es immer wieder, unvorhersehbare Wendungen mit einzubauen.
Die Geschichte wird aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt. Zum einen gibt Percy ihre Erlebnisse in der Ich-Form wieder, zum anderen dürfen wir den leicht wirren Gedanken des Dealers und drogensüchtigen Shelton folgen. Dabei schafft Mulhauser es sehr schnell, dass ich mich sehr verbunden mit Percy fühlte und Shelton eher mit Widerwillen begegnete.
Das Setting ist gut gewählt, denn ich sah die verschneiten Wälder sehr lebhaft vor mir und konnte nicht nur die Kälte der Umgebung nachspüren, sondern auch die Kälte der gesamten Situation.
Die Charaktere bleiben hier überschaubar, wobei ich wirklich noch einmal betonen möchte, wie sehr mir die Protagonistin Percy gefallen hat. Diese junge Frau, die mit Sicherheit bisher kein angenehmes Leben hatte, kämpft mit einem Mut und einem sehr selbstlosen Einsatz um das Leben des Babys Jenna. Trotz extremst widrigen Umständen, sei es der Schneesturm oder die Verbrecher, die Jagd auf sie machen, gibt sie nicht auf. Shelton hingegen ist hier der perfekte Gegenpart, er ist eigentlich permanent auf Drogen und wenn er mal nur halbwegs klar sein kann, macht er dieses gleich wieder zu nichte. Das er zwischendurch noch handeln kann, ist erstaunlich, aber diese Handlungen selbst haben weder Hand noch Fuß. Neben diesen Beiden gibt es noch eine handvoll weiterer Nebencharaktere, von denen mir hauptsächlich Percys beinahe Stiefvater Portis in recht guter Erinnerung bleibt, auch wenn er eigentlich Alkoholiker ist, so mochte ich es doch, wie er Percy und Jenna hilft.
Mein Fazit:
Dieses Buch ist ein absolutes Auf und Ab der Gefühlswelt gewesen, habe ich gerade noch über den Wortwitz lachen müssen, war ich im nächsten Moment schon wieder angeekelt oder wütend. Der Autor macht hier keinen Halt vor unmöglichen Situationen und zeigt Umstände auf, die man sich kaum vorstellen möchte. Doch irgendwie befürchte ich, dass es irgendwo genau solche Personen gibt. Doch auch wenn hier manches Mal alles auswegslos erscheint, gibt es auch immer wieder Szenen, die Hoffnung und Mut machen. Mir hat dieses Debüt ausserordentlich gut gefallen und ich könnte mir sogar vorstellen, dass dieses Buch nicht nur dem erwachsenen Leser ungewöhnliche Lesestunden beschert, sondern auch für Teenager sein könnte.