Rezension

Tolle Idee, aber leider überzeugt die Umsetzung nicht

Die Akte Adenauer -

Die Akte Adenauer
von Ralf Langroth

Bewertet mit 2.5 Sternen

Unglaubwürdige Liebesgeschichten und flache Charaktere machen leider einiges an Spannung zunichte

Auf das Buch hatte ich mich sehr gefreut, denn gute Politthriller mag ich gerne, und gerade die Bonner Republik ist ein interessantes Thema. Die Entscheidung, sich im Buch mit den Werwolfgruppen des Dritten Reichs und personellen Kontinuitäten auseinanderzusetzen, finde ich ebenfalls sehr spannend und wichtig, da das Thema in der Öffentlichkeit oft weniger behandelt wird. Die RAF ist uns fast allen ein Begriff, Rechtsterrorismus dagegen so gut wie gar nicht. Der Autor hat definitiv sorgfältig recherchiert und als ehemalige Bonnerin fand ich gedanklich schnell an viele der Handlungsorte. Warum also die eher negative Bewertung?

Zum Einen fand ich die Charaktere - insbesondere die weiblichen - häufig sehr flach und unglaubwürdig. In der Mitte steht der strahlende Held, der eindeutig einer der Guten ist, und entweder von jungen hübschen Frauen umgeben ist, die ihn alle sofort attraktiv finden, oder aber auf ältere Frauen (Sekretärinnen, Oberschwestern etc.) trifft, die meist nach dem gleichen Schema abweisend, hochnäsig und eindimensional sind. Auch die im Buch vorkommenden Liebesbeziehungen sind in meinen Augen unnötig und das Buch wäre problemlos auch ohne sie ausgekommen. Ich kann nicht viel mehr dazu schreiben, ohne zu spoilern, aber zumindest so viel: Eigentlich als unabhängig dargestellte Frauen wollen reihenweise beschützt werden, finden Übergriffigkeit doch irgendwie süß und innerhalb weniger Tage (wir reden hier von drei oder vier Tagen) entstehen intensivste Liebesbeziehungen. Das lässt sich auch mit dem historischen Kontext nicht rechtfertigen, denn trotz massiver Geschlechterungleichheiten in den 50ern waren Frauen nicht so eindimensional, wie es in diesem Buch bis auf sehr wenige Ausnahmen die meisten Frauen sind. Dass man Frauencharaktere auch in den 1950ern sehr viel komplexer darstellen kann, hat erst in diesem Jahr Merle Kröger mit "Die Experten" bewiesen.

Das allein wäre für mich kein Grund für eine solche Bewertung, handelte es sich dabei um Randerscheinungen. Aber zeitweise war ich versucht, das Buch wegzulegen, weil die unglaubwürdigen Liebesbeziehungen mit teilweise wirklich sehr platten Dialogen überhand nahmen und für mich in dieser Ausführlichkeit in einem historischen Politthriller einfach fehl am Platz waren. Die spannendsten Stellen waren dann auch die, an denen eher weniger Frauen vorkamen - was schade ist, denn so wurde ich auch nicht wirklich von Spannung ergriffen und wenn, dann schnell wieder rausgerissen.

Zweitens wird dann gerade im letzten Drittel doch oft in die Klischeesammlung gegriffen, um beispielsweise zwischenmenschliche Beziehungen auf Täter*innenseite darzustellen oder Teile des Falls aufzulösen. Auch hier erschien es mir teilweise sehr widersprüchlich, wie unvorbereitet und unfähig Täter*innen dargestellt wurden, die Teil terroristischer Elitetrupps sind. Gerade, da der Autor als jemand angekündigt wird, der bereits mehrere Erfolge erzielen konnte, hätte ich hier auf Originalität gehofft.

Mein sehr ernüchtertes Fazit lautet daher: Tolle Idee, sorgfältige Recherche und interessante Passagen werden an vielen Stellen von unglaubwürdigen und flachen Charakteren und unnötigen Liebesszenen unterbrochen. Wem es eher um die historischen Hintergründe geht und wen Stereotype und Klischees nicht sonderlich stören, wird hier mit Sicherheit Spaß haben und einiges lernen können. Wer sich spannende Charaktere erhofft, wird möglicherweise enttäuscht werden.
Schade, ich werde trotzdem dem Nachfolgeband, wenn er erscheind, vermutlich noch eine Chance geben, weil ich das historische Setting weiterhin spannend finde.