Rezension

Tolle Idee, fuchtbare Umsetzung

All About a Girl
von Caitlin Moran

Bewertet mit 2 Sternen

Johanna ist ein Teenager Anfang der 90er Jahre. Aufgewachsen in einer Sozialsiedlung in einer englischen Industriestadt, mit einem im Musikbusiness gescheiterten und vom Leben gezeichneten Vater, der immer noch Rockstar werden will, und einer völlig überforderten Mutter, die an Wochenbettdepressionen leidet, sowie vier Brüdern, sucht sie nach sich selbst. Dies tut sie mit allen Mitteln,

Die Idee hinter der Geschichte ist wirklich klasse. Zusammen mit dem passenden Cover hat mich das Buch sofort angesprochen. Auf den ersten Seiten empfing mich die Autorin mit einer eher ausgeflippten Protagonistin und der dazu passenden frechen, harten und gnadenlos direkten Sprache. Ich kam gut in die Geschichte hinein; mir gefiel Johanna irgendwie, die halt nicht richtig weiß, wohin mit sich in dieser Welt, und das mit derbem britischen Humor deutlich macht. Auch die aus ihrer (Teenager-) Perspektive geschilderte Familie konnte ich mir im Ansatz gut vorstellen, was mir aber auch völlig genügte. Die Pubertät ist nun mal geprägt von gezwungener Egozentrik, daher passt es, dass die Familienmitglieder in Johannas Erzählung keine unnötig großen Rollen bekamen.

Besonders gut gefiel mir vor allem die Einbettung in das soziale Milieu mit den unterschiedlichen Soziolekten. Mit großer Detailverliebtheit baut die Autorin hier ein Bild der Arbeiterschicht im England der 90er Jahre auf. Man erkennt schnell, dass sie weiß, wovon sie hier schreibt. Johanna versucht aus eben jener gesellschaftlichen Schicht und dem damit einhergehenden Stempel auszubrechen, indem sie sich neu erfindet und versucht, bereits mit 16 Jahren eine große Karriere im Musikjournalismus zu erreichen - und damit einhergehend "die Welt" kennenzulernen. Mit allem, was ihrer Meinung nach dazu gehört.

Hier hörte dann leider mein Enthusiasmus schon auf. Spätestens ab der Hälfte bricht die Story total ein. Anstatt Details zu den Eindrücken eines Teenagers aus schlechten Verhältnissen, der zum ersten Mal alleine in die große weite Welt zieht, zu schildern, geht es nur noch um Alkohol, Parties, Drogen und Sex. Vor allem um Sex. Und daraus abgeleitete "Tipps" an den Leser. Seitenweise wird sich über eine darauf zurückzuführende Blasenentzündung ergossen.

In der Hoffnung, dass die große Wende noch kommt, die Autorin wieder zu ihrem ursprünglichen Schreibstil, und vor allem zu einem Sinn oder einer Aussage hinter der Geschichte, zurück kommt, las ich den letzten Abschnitt auch noch. Sonst hätte ich das Buch mit Sicherheit abgebrochen am Ende des zweiten Teils. Man darf auch noch eine Art "Wendung" erleben, die aber das Buch auch nicht mehr herum reißen kann. Die Aussagekraft ist mäßig, falls überhaupt vorhanden, ganz geschweige von der doch teilweise sehr weit hergeholten Dramatik der Erlebnisse, die für eine (später im Buch) 16jährige doch unverhältnismäßig, wenn nicht gar völlig unrealistisch ist.

Schade. Ich hatte mich wirklich sehr gefreut auf das Buch. Für die Idee gibt es von mir 4 Sterne, die das Buch auch verdient hätte, wenn die Autorin den Stil des Anfangs beibehalten und etwas aus der Story gemacht hätte. Dank dem völligen Einbruch der Story und der leider im Endeffekt fehlenden Aussage des Buches bleiben leider nur noch 2 Sterne als Gesamteindruck. Und das Fazit: Danke, aber nie wieder. Falls das wirklich der Auftakt zu einer Trilogie ist, will ich die beiden anderen Bücher auf keinen Fall lesen.