Rezension

Tolle Welt und authentische Charaktere - nur leider ist der Anfang ein wenig zäh

Rat der Neun - Gezeichnet - Veronica Roth

Rat der Neun - Gezeichnet
von Veronica Roth

Bewertet mit 4.5 Sternen

Nach Veronica Roths Erfolg mit der „Bestimmung“-Trilogie, habe ich ja immer mal wieder Ausschau gehalten, ob sie nicht eine neue Reihe beginnt. Als ich dann „Der Rat der Neun“ entdeckte, konnte ich es gar nicht erwarten, schon allein das Genre hört sich ja ungemein interessant an, nach einer Mischung aus Science Fiction und Fantasy.

Aber erstmal zur Handlung: Akos und sein älterer Bruder werden von den Shotet, ihren Feinden, entführt und so treffen er und Cyra, die Schwester des Herrschers der Shotet, aufeinander. Am Anfang fand ich es ein bisschen zäh, es passiert nicht wirklich viel. Da liegt der Fokus dann mehr auf den Protagonisten und ihren Hintergründen, ihrem Charakter. Aber ich finde, man muss dem Buch ein bisschen Zeit geben, denn wenn man das tut, wird es eindeutig besser und vor allem auch spannender. Vor allem den Mittelteil finde ich sehr gut und auch das Ende lässt einen nicht so leicht vom Buch wegkommen. Was ich auch sehr gut finde, ist, dass der Fokus nicht zu sehr auf der Liebesgeschichte liegt. Klar, sie läuft nebenbei immer mit, aber ist nicht so penetrant, es wird nicht pausenlos schmalzig vor sich hingedacht oder geredet. Was außerdem auffällt, aber nicht unbedingt überrascht, ist, wie gnadenlos und auch blutig die Autorin teilweise beschreibt. Sie macht es ihren Charakteren – wie auch schon in „Die Bestimmung“ - wirklich nicht einfach und an der ein oder anderen Stelle war ich dann doch überrascht, wie ‚hart‘ es wurde. "Rat der Neun - Gezeichnet" hatte vor allem auch ein paar Dinge, die nicht unbedingt überraschend kamen, aber die mich doch zum Nachdenken angeregt haben. Ich hab schon ein paar Vermutungen angestellt und bin mehr als gespannt, ob sie richtig sind oder nicht, auch wenn das erst im zweiten Teil der Dilogie dann (hoffentlich) herauskommen wird.

Eine der besten Sachen an dem Buch ist außerdem die von Roth ausgedachte Welt. Am Anfang war ich ein bisschen verwirrt, ob die Charaktere eigentlich Menschen sind oder nur menschenähnlich, aber inzwischen hab ich herausgefunden, dass es wohl Menschen sein müssen. Menschen von verschiedenen Planeten, die sich teilweise stark unterscheiden, aber Menschen, ohne irgendwelche ganz seltsamen Merkmale wie grüne Haut oder Kiemen oder was weiß ich. Die Geschichte spielt im Weltall in einem eigenen Sonnensystem, das vom sogenannten Strom umkreist wird, der für die dort lebenden Völker eine besondere Bedeutung hat. In diesem Sonnensystem befinden sich neun Planeten und sie alle haben ihre Eigenheiten, sind total interessant beschaffen.Die neun Planeten stehen unter der Regierung des Hohen Rates. Was es mit dem auf sich hat, wüsste ich auch gerne, denn man erfährt zumindest in dem Teil noch nicht sehr viel davon.

Der Planet Thuvhe ist der für die Handlung wichtigste Planet und dort gibt es auch die meisten Probleme. Hier teilen sich nämlich zwei Stämme den Planeten, Thuvhesi und Shotet, und während die Thuvhesi vom Hohen Rat anerkannt sind, sind es die Shotet nicht, was sie jedoch ändern wollen. Für Konfliktpotenzial ist also gesorgt.

Ich finde ja auch schon allein die Namen cool, die die Autorin sich ausgedacht hat. Ich hab schon gelesen, dass manche damit nicht zurechtkamen, die Namen unaussprechbar fanden, aber da kann ich nicht zustimmen. Klar ist es gewöhnungsbedürftig, sich an die ganzen schon etwas seltsam klingenden Namen zu gewöhnen, aber wenn ich sie laut ausgesprochen habe, hat das immer geklappt. Und außerdem finde ich, dass sie sich gut anhören, passend, sowohl zu den Personen als auch zu den Planeten. Dass Thuvhe immer ein bisschen gehaucht klingt, kann ich mir gut vorstellen und Eijeh, ein thuvhesischer Name, passt da meiner Meinung nach super hin.

Was in dem Roman auch sehr wichtig ist, ist der Strom, den ich schon erwähnt habe. Den konnte ich mir allerdings nicht ganz genau vorstellen, wie er anscheinend von jedem Planeten aus zu sehen ist und auch verschiedene Farben annimmt. Der Strom ist deshalb für alle Bewohner der Planeten so wichtig, weil er quasi durch alle hindurch fließt und ihnen somit eine Lebensgabe gibt. Die können ganz unterschiedlich aussehen und sind vor allem nicht immer nur gut. Das fand ich auch wieder unglaublich interessant, denn meistens wird Magie und ähnliches als Nonplusultra dargestellt und hier eben nicht. Hier hat sich die Autorin auch wieder sehr interessante Sachen einfallen lassen, die nicht so "alltäglich" sind wie Telekinese oder Elemente beherrschen. Stattdessen kann eine Person zum Beispiel Schmerz weiterleiten. Dazu kommen dann noch Orakel, die die Zukunft in ihren Visionen voraussehen, die aber nicht in Stein gemeißelt ist. Nur die Schicksale der sogenannten gesegneten Familien sind unausweichlich und auch da hat sich die Autorin wieder einige coole Sachen ausgedacht. Ich kann nur sagen: Wow!

So, jetzt aber genug von den Hintergründen der Welt beziehungsweise des Weltalls, komme ich mal lieber zu was anderem. erstmal der Schreibstil. Der lässt sich gut lesen, was ich auch nicht anders erwartet hätte, denn ich kenne ja bereits Bücher der Autorin. Was ich nur ein bisschen unpassend fand, war die Art und Weise, wie die Charaktere manchmal denken, nämlich wie Erwachsene. Es ist nicht so, dass Roth hochgestochen schreibt, aber manchmal hat das, was die Personen gesagt haben, einfach nicht zu ihrem Alter gepasst. Gut, man könnte jetzt sagen, dass die Charaktere Sachen erlebt haben, die sie frühzeitig haben altern lassen, aber für mich hat es einfach nicht so ganz zueinander gepasst, denn die Protagonisten, aus deren Sicht erzählt wird, sind trotzdem noch 16 Jahre alt.

Das Buch ist außerdem aus zwei Sichtweisen erzählt. Einmal die von Akos, dessen Sicht aber aus dritter Perspektive geschrieben ist, und dann die von Cyra, die aus der Ich-Perspektive erzählt. Von den Sichtweisen fand ich Cyras ein bisschen besser, einfach weil man bei ihr mehr Einblick erhalten hat. Was seltsam ist, denn von den Charakteren her mochte ich Akos ein wenig mehr^^

Dann komme ich auch schon zu den Charakteren. Wie schon gesagt sind Cyra und Akos die Protagonisten und die sind auch wirklich interessant. Beide haben sehr spannende Lebensgaben, Cyras ist der Schmerz und schon allein, wie sie beschrieben war, war unglaublich interessant. Ich kann mir zwar absolut nicht vorstellen, wie es sein muss, jede Minute meines Lebens mit Schmerz zu verbringen, aber die Autorin hat das gut rübergebracht und so fand ich auch Cyras Charakter authentisch. Sie ist durch ihre Gabe nämlich nicht gebrochen, sondern stärker geworden und ihr Humor ist einfach klasse. Und Akos als ihr Gegenpart ist ebenfalls super. Er ist nicht der knallharte Typ, wie man ihn aus anderen Büchern kennt, sondern einfühlsam und nicht skrupellos, obwohl er viel hat durchmachen müssen und sein Schicksal genau kennt. Zwar ist er manchmal sehr stur und hat einen unerschütterlichen Glauben daran, seinen Bruder retten zu müssen, der schon fast wahnhaft ist, aber vielleicht macht genau das ihn so sympathisch. Beide Protagonisten machen auch im Laufe der Geschichte eine schöne Wandlung durch, die ganz langsam voranschreitet, sodass man sie fast gar nicht merkt.

Auch die unwichtigeren Charaktere fand ich sehr interessant, vor allem Ryzek und Eijeh. Als ich den Klappentext gelesen habe, musste ich irgendwie sofort an Joffrey aus „Game of Thrones“ denken, aber Ryzek ist da doch nochmal ganz anders und ich finde, dass die Autorin unglaublich gut beschrieben hat, wie er zu dem Mann geworden ist, der er eben ist. Und Eijeh...ich will jetzt wirklich nicht zu viel verraten, aber Eijeh hat Veronica Roth auch mega gut hinbekommen. Genauso sind die anderen Charaktere gut beschrieben, mit den verschiedenen Motiven, warum sie etwas tun und so weiter. Egal, wie unsympathisch mir ein Charakter dadurch wurde, was er getan hat, ich konnte es meistens nachvollziehen.

Insgesamt kann ich zwar nicht sagen, dass „Der Rat der Neun – Gezeichnet“ mich total mitgerissen hat und ich nun sehnsüchtig auf Teil 2 warte, aber der Roman konnte mich auf jeden Fall überzeugen.