Rezension

Toller Drachenfantasy-Auftakt

Silberdrache - Angie Sage

Silberdrache
von Angie Sage

Bewertet mit 5 Sternen

Einst durchstreiften Drachen die Erde und lebten in Einklang mit den Menschen. Unter ihnen gab es Walddrachen, Seedrachen, Bergdrachen, Stadtdrachen und Drachen aus den weiteren Ebenen. Einige Menschen hatten das Glück eine enge Verbindung mit den uralten Geschöpfen einzugehen, die ein Leben lang hielt. Unter diesen Bündnissen befanden sich jedoch auch machthungrige, die andere zu jagen begannen. Drachen wurden zu Raptoren erzogen, die mit Vorliebe Menschenfleisch fraßen. Ein einst friedlicher Ort, wurde so zu einem Ort des Schreckens, an dem der Tod jeder Zeit aus dem Himmel empor schießen konnte. Sirin Sharma kennt die alten Geschichten über diese vergessene, von vielen Menschen nur noch als Mythos befundene Welt auswendig und liebt es jedes weitere Mal, wenn ihre Mutter ihr diese erzählt.
In genau dieser Welt leben Joss und Allie Moran. Die Geschwister haben ihre Eltern an Raptoren verloren und leben als Schafshirte und Dienstmagd ein eher trostloses Leben bei den Zolls, die ein Stück Land der tyrannischen Lennix-Familie gepachtet haben. Diese haben ein Heer an Drachen, die regelmäßig in Geschwadern ganze Drachengruppen ausheben, diese töten und Eier stehlen, um die Drachenbabys zu neuen Raptoren zu erziehen. Doch es gibt kaum noch "gutes Futter" für die Raptoren und es macht sich Unruhe gerade unter den jungen Raptoren breit. Damit sich diese nicht gegen den Lennix-Clan wenden, müssen die Drachen zufrieden gestellt werden, die aufgrund der eigens herbeigeführten Ausrottungen nur noch Schafe zwischen die Zähne bekommen. Die Rettung soll ein silberner Drache sein, denn nur ein Silberner vermag durch Portale zu den Verlorenen Landen zu reisen. Ein Land, das voller Futter ist und die Loyalität der Raptoren sichert. Ein Land, in dem Sirin lebt. Das Ei gelangt zufällig in die Hände von Joss, doch die Lennix wollen den Drachen mit aller Gewalt zurück und auch ein alter Drache hat ein Auge auf das kostbare Ei geworfen.

Angie Sage ist ein grandioser Auftakt zu einer neuen Reihe gelungen. Gespannt habe ich die Geschichte bis zur letzten Seite verfolgt und mitgefiebert. Der Schreibstil der Autorin lässt tolle Bilder entstehen, da die einzelnen Drachen und Gegenden detailliert beschrieben werden. So bibbert man mit Joss, der den starken Flügelschlag und die scharfen Krallen dicht über sich hinweg ziehen sieht, man spürt selbst fast die Freiheit und Einheit beim Drachenreiten und kommt den engen scharfkantigen Felswänden, die zur beeindruckenden Lennixfestung führen, gefährlich nahe. Die prachtvoll eingerichteten Zimmer des ersten Geschwaders, der Elite-Raptoren, mit in den Wänden eingelassenen Klappen zum Starten und Landen der Drachen, stehen in starken Kontrast zu den dreckigen, nach fauligem Fleisch stinkenden Gewölbe, in denen gefangene, zur Drecksarbeit abgestellte Kinder und Jugendliche hausen.
Die Charaktere können unterschiedlicher nicht sein. Von den Menschen haben ich Allie und Carli am meisten ins Herz geschlossen, die mutig sind und nicht aufgeben. Auch wenn Joss der jüngere der Geschwister ist, handelte er oft sehr naiv, doch waren seine gemeinsamen Momente mit "seinem" Drachen Lysander wunderbar. Die Lennix-Familie ist bösartig und von den Kindern der Oberhäupter Damara und Edward ist einer widerlicher als der andere. Nicht nur Drachen, sondern auch Menschen behandeln sie wie Dreck. Ebenso gibt es gute wie auch böse Drachen mit ganz eigenen und vor Machtgier blinden Zielen, die nicht so unterwürfig sind, wie es der Lennix-Clan gerne hätte. Besonders überrascht hat mich der Drache Bellacrux, von der ich anfangs ganz andere Pläne erwartet hatte.
Die Einteilung in viele Kapitel bietet ausreichend Möglichkeit Pausen einzulegen, wenn man dies denn überhaupt kann. Ich habe das Buch an einem Tag durchgelesen, da ich unbedingt wissen musste, ob die Flucht gelingt und wie die Verbindung zu Sirins Welt hergestellt wird. Der Endkampf hält einige traurige Abschnitte bereit und man muss sich von unschuldigen, herzensguten Charakteren auf teils sehr dramatische und brutale Weise verabschieden. Nicht so schön fand ich den gewählten Ausdruck "Bundesgenossen" für die Verbindung zwischen Mensch und Drache. Dieser klingt nicht sehr innig, sondern erinnert mich an politische Verbindungen. Aber gut, daran kann man sich gewöhnen. Verwundert hat mich ebenfalls, dass Mandy, die Pflegemutter Sirins, nicht auch von der Mädchengang gerettet wurde. Auch reagierte diese sehr abgeklärt und cool, dass ihre Pflegetochter nun auf und davon ist.
Nichtsdestotrotz führt dies zu keinem Abzug, denn die Geschichte hat mich gefesselt und lässt mich gespannt auf den Nachfolgeband warten, in welchem Sirins Welt stärker in Gefahr gerät. Einige Ähnlichkeiten zu Eragon sind zwar erkennbar, doch die Geschichte enthält auch neue, ganz eigene Aspekte. Besonders gefallen hat mir hier die Idee, dass Drachen einen langen Dreitageschlaf benötigen, um drei sehr wichtige Fähigkeiten zu entwickeln.

Das Buch ist allen Fantasy- und Drachenfreunden zu empfehlen. Die Einteilung als Kinderbuch kann ich jedoch aufgrund der stellenweise brutalen Kämpfe und rauen Umgangsweisen der Menschen untereinander nicht teilen.