Rezension

Toller Roman mit unsympathischer Hauptfigur

Du und ich und all die Jahre - Amy Silver

Du und ich und all die Jahre
von Amy Silver

Nicole Blake, die Hauptfigur des Romans, hat einen besten Freund, Julian. Seit sie sich kennen, haben sie beinahe jedes Silvester zusammen verbracht, ihre Vorsätze für das neue Jahr ausgetauscht und die verrücktesten Sachen erlebt. Jedes Jahr bis zum Jahreswechsel 2007/2008, als sich alles änderte… Seitdem läuft nichts mehr in Nicoles Leben nach Plan: Ihre Ehe mit Dominic kriselt, statt beeindruckender Dokumentarfilme produziert sie nun Trash- TV und von der Familienplanung ihres Mannes will sie eigentlich auch nichts wissen. Stattdessen wandern ihre Gedanken immer wieder zu Aidan, dem Mann, der ihr so oft das Herz gebrochen hat…

„Du und ich und all die Jahre“ ist ein Roman, der auf mehreren Handlungssträngen aufbaut. Zum einen wird eine sich entwickelnde Handlung in der Gegenwart beschrieben, in der Nicole über ihre Ehe nachdenkt und die Vorbereitungen für Silvester 2011 trifft, das sie mit Dominic in New York verbringen wird.

Parallel dazu werden immer wieder Kapitel eingeschoben, die von ihren Silvesterpartys mit ihrem besten Freund Julian erzählen. Jedes Jahr haben die beiden sich fünf Vorsätze für das neue Jahr ausgedacht, die sie verwirklichen wollten und sie sich gegenseitig erzählt, ein Ritual, das Nicole absolut heilig war. Gleichzeitig waren die Silvesterfeiern immer wichtige Punkte in ihrem Leben, weil auf jeder einzelnen Feier Dinge passiert sind, die ihr Leben oder das ihrer Freunde maßgeblich beeinflusst haben.

Diese Kapitel sind toll. Sie vermitteln ein lebhaftes Bild von Nicole und ihren Freunden, den toll ausgearbeiteten Charakteren und man kann sich wirklich gut in die Situationen hineinfühlen, man trauert, hofft und lacht mit ihnen.

Die Geschichte in der Gegenwart dagegen ist etwas verkorkst, da man Nicoles Verhalten zunächst nicht wirklich nachvollziehen kann (oder ich konnte das zumindest nicht). Aber auch nachdem man erfährt, warum sie sich ihrem Mann gegenüber so blöd verhält, habe ich es noch nicht wirklich verstanden. Ja, er hat einen Fehler gemacht. Aber wenn man jemandem einen Fehler so partout nicht verzeihen kann, dann sollte man sich doch einfach von ihm trennen? Statt ihm aus allem einen Strick zu drehen, ihm eine Lüge nach der anderen aufzutischen, ihn in keine Entscheidung, die das ganze Leben betrifft, mit einzubeziehen, sich auch ansonsten immer nur abweisend zu verhalten und zu guter Letzt permanent nur an einem anderen Mann zu denken, von dem nichts weiter beschrieben wird als sein gutes Aussehen. Das hat Dom meiner Meinung nach nicht verdient, weshalb mir die Gegenwarts- Nicole ziemlich unsympathisch war, auch wenn man ihre Gründe nach und nach präsentiert bekommt.

Insgesamt ist Nicole ein Charakter, der mir selbst einfach fremd ist. Deshalb sprang der Funken zu dem Buch vielleicht auch nicht über.

Von der Geschichte her ist es toll ausgearbeitet, sehr vielschichtig in der Handlung und die ganze Geschichte ist plausibel und vereint alle Emotionen, die ein guter Unterhaltungsroman haben muss: Trauer und Wut, Freude und Liebe, Freundschaft und Familie, Leben und Tod. Aber das letzte bisschen Begeisterung, dieser unbedingte Wille, das Buch weiterzulesen, hat bei mir trotzdem gefehlt, weil ich mich mit der Hauptfigur überhaupt nicht identifizieren konnte, ja teilweise sogar richtig genervt von ihr war.

Der Sprachstil ist flüssig und hat einen leichten Plauderton, der den ganzen Roman zu einer leichten Kost macht, die aber gut unterhält. Deshalb würde ich trotzdem jedem raten, dieses Buch zu lesen, denn mein Problem mit diesem Buch ist ein ganz persönliches Problem und wie gesagt – abgesehen von diesem gibt es sonst keine Kritikpunkte.

Für mich bleibt es bei einem „nett zu lesen“ und dem Vorhaben, das Buch in einigen Jahren auf jeden Fall nochmal zu lesen, weil Blickwinkel auf Charaktere sich ja (zum Glück!) im Laufe der Zeit und der eigenen Erfahrung oft ändern können und ich es schade finde, dass ich zu diesem eigentlich tollen Buch nun doch eine recht negative Rezension schreiben musste.