Rezension

Tolles Geschichtsbuch über die DDR - aber leider viel zu wenig über den Mauerfall an sich

Mein Mauerfall - Juliane Breinl

Mein Mauerfall
von Juliane Breinl

Bewertet mit 4 Sternen

Meine Kinder sind geboren und aufgewachsen in Österreich, 20 Jahre nach dem Ende der DDR. Trotzdem möchte ich Ihnen erzählen können, woher ich eigentlich komme, und wieso es das Land meiner Kindheit nicht mehr gibt. Dafür ist dieses Buch wirklich super! Die Autorin beschreibt hier, wieso es überhaupt zur Trennung von Deutschland nach dem 2. Weltkrieg kam, was der Kalte Krieg war und warum 1961 schließlich die Berliner Mauer gebaut wurde. Bei der Erklärung wie es dann zum Mauerfall kam, holt sie einigermaßen weit aus, erklärt dass viele Leute und vor allem Jugendliche in den 80ern immer unzufriedener wurden, und wie sich die Lage seit den Wahlen im Frühjahr 1989 in der DDR immer mehr zuspitzte, wie viele Menschen dann aus ihrem Sommerurlaub nicht mehr zurückkehrten und ab September schließlich in Leipzig die Gebete in der Nikolaikirche begannen die dann zu den Montagsdemos führten - und schlussendlich dann zum Fall der Mauer. 

Als roter Faden durch das Buch führt eine (fiktive) Rahmenhandlung, bei der sich anlässlich einer Familienfeier in einem Ort an der ehemaligen innerdeutschen Grenze mehrere Generationen treffen, und vor allem ganz wissbegierig die Großeltern, Mutter, Tante... ausfragt. Ich fand es gut, dass hierbei durch die einzelnen Familienmitglieder auch verschiedene Positionen dargelegt werden und so ein sehr differentiertes Bild zustande kommt. Der Opa trauert immer noch seiner DDR hinterher, die Oma überhaupt nicht. Während die Tante gerne bei den Pionieren waren, fühlte sich deren Zwillingsschwester gar nicht wohl bei dieser Gleichschaltung schon im Kindesalter und ist aus der FDJ ausgetreten. So bekommt auch der Leser Für und Wider zu hören.

Unterstützt wird das ganze dann durch mehr oder weniger lange Infokäste, Berichte von Zeitzeugen und Fotos. Generell ist das Buch aber schon sehr textlastig! (Bei einem Kinder-Sachbuch hätte hier die Text-Bild-Rate ruhig etwas anders sein können! Man will ja auch nicht, dass die Kids vorschnell die Lust verlieren, etwas über dieses Thema zu erfahren.)
Konzentriert hat sich die Autorin in diesem Buch wirklich auf die rein geschichtlichen und politischen Informationen, es gibt keine Erwähnung der Dinge, die die DDR überlebt haben (Ampelmännchen, Rotkäppchen-Sekt, Sandmännchen, Zetti Knusperflocken). Und das ist auch absolut ok, denn für diese Ostalgie gibt es genug andere Bücher!

Enttäuscht war ich jedoch, dass der eigentliche Mauerfall sooo extrem kurz abgehandelt wurde. Nachdem das Buch schließlich "Mein Mauerfall" heißt, hätte ich mir da mehrere Seiten dazu, wahrscheinlich zahlreiche Bilder, und auch einen 'Erfahrungsbericht' der Autorin selbst erwartet. Stattdessen bekommen wir hier ca. 1 Seite Text plus den Bericht der Schauspielerin Jana Pallaske, die erzählt dass sie am Abend des Mauerfalls (der übrigens ein Donnerstagabend war, und nicht ein Freitagabend wie sie meint!) Lambada getanzt hat. Schade, zu diesem Thema gibt es doch Unmengen an Material, das man hier hätte verwenden können. Oder der Verlag hätte das Buch anders nennen sollen! Bei mir wurden jedenfalls ganz andere Erwartungen geweckt als ich das Cover des Buches sah.
Auch die Tage und Wochen unmittelbar nach dem Mauerfall wird nicht thematisiert. Es folgen dann noch ein paar Seiten über 1990 - die letzten Wahlen in der DDR und die 4 plus 2 Verhandlungen über die Wiedervereinigung. Aber das war es dann auch schon. 

Ich kann mich jedenfalls noch sehr gut an "Meinen Mauerfall" erinnern. Wie es sich in der Zeit vorher schon angebahnt hatte, mit dem Grenzöffnungen in Ungarn und schließlich auch der CSSR, mit dem Rücktritt von Honecker im Oktober. So war ich dann auch gar nicht soo überrascht, als mich meine Mutter am Freitag früh weckte und sagte "Die Mauer ist offen"! Wie wir in der Schule in der 1. Stunde Mathe bei Hr. Wiese hatten, nur ein Mitschüler fehlte (weil er mit seinen Eltern noch in der Nacht nach Berlin gefahren ist), und wir nur über den Mauerfall sprachen. Wie ich mit meinen Eltern und Bruder am Sonntag schließlich auch nach West-Berlin gefahren bin, das ja nur ne knappe halbe Stunde entfernt war. Wie die Banken dort sogar am Sonntag geöffnet hatten, um die 100 DM Begrüßungsgeld herauszugeben. Wie wir später bei unserem ersten 'Einkauf' bei Aldi in dem riesengroßen Einkaufswagen 2 Tafeln Milkaschokolade zu je 1 DM packten und sonst nichts (wir sparten das Begrüßungsgeld lieber für schöne Weihnachtsgeschenke!) Wie auf unserer allerersten Bravo, die ein richtiger Schatz für meinen Bruder und mich wurde, Jack Nicholson als grinsender Joker abgebildet war. An all das erinnere ich mich, wenn ich an den November 1989 zurück denke. Aber genau sowas (zumindest in dieser Richtung) fehlte mir leider in diesem ansonsten schönen Buch, dass Kindern (ab etwa 10 Jahren) den Beginn und das Ende der DDR erklärt.