Rezension

Tolles Krimidebüt mit originellem Setting und super sympathischer Ermittlerin!

Doggerland. Fehltritt - Maria Adolfsson

Doggerland. Fehltritt
von Maria Adolfsson

Bewertet mit 5 Sternen

Nach schwerem Schicksalsschlag kehrt die Polizistin Karen Eiken Hornby aus London in ihre Heimat Doggerland zurück, um dort als Kriminalassistentin zu arbeiten. Sie lebt zurückgezogen und erträgt stoisch die sexistischen Sprüche und Diskriminierungen ihres Chefs und ihrer Kollegen. Ab und an gönnt sie sich alkoholische Exzesse und One-Night-Stands. Den absoluten Tiefpunkt erreicht sie am Morgen nach dem Volksfest Oistra, als sie in einem Stundenhotel neben ihrem Chef aufwacht. Leider kann sie ihren Rausch kaum ausschlafen: Später am selben Tag wird sie zu einem brutalen Tatort gerufen. Eine Frau in Karens Wohnviertel wurde tot aufgefunden. Und diese Woche Frau ist ausgerechnet die Ex ihres Chefs. Karen bekommt die Leitung der Ermittlungen übertragen und ist fortan nicht nur in einen undurchsichtigen Fall verstrickt, der weit in die Vergangenheit zu reichen scheint, sondern auch ängstlich bemüht ihre eigene Involviertheit vor ihren Kollegen und Vorgesetzten zu verbergen...

Sehr solider, spannender und fesselnder Krimi, der durch seine starke Hauptfigur und dem originellen Lokalkolorit glänzt. Der Schreibstil ist sehr eingängig und gut zu lesen und fesselt von der ersten Zeile an. Man lebt sofort mit Karen mit, sie ist durch und durch eine sympathische und zutiefst menschliche Hauptfigur mit all ihren Schwächen. Durch ihren Schicksalsschlag ist sie traumatisiert und hat eine Mauer um sich errichtet, hinter der sie sich verschanzt und keine tieferen Gefühle mehr zulässt. Sie ist eine gute Polizistin, doch hat sie keinen Ehrgeiz mehr und weder Lust noch Kraft, gegen die sexistischen Äußerungen ihrer Kollegen zu kämpfen. Bis sie diese Chance erhält die Leitung zu übernehmen, da ihr Chef aufgrund der persönlichen Betroffenheit freigestellt wird. Auch wenn sie große Zweifel plagen und sie sich manchmal nach ihrem gewohnten Trott zurücksehnt, wächst sie doch über sich hinaus und emanzipiert sich nicht nur gegenüber den Kollegen, sondern reift auch selber, ihre Mauern werden nach und nach dünner und schließlich eingerissen. Auch dadurch, weil sie sich Menschen gegenüber öffnet, bei denen man es spontan überhaupt nicht für möglich gehalten hätte und was einen sehr berührt.

Der Fall als solcher ist vertrackt und verlangt Karen einiges ab, zumal sie sehr bemüht ist ihre Verstrickung wegen der Affäre mit ihrem Chef zu verbergen. Das macht sie sehr geschickt und clever und muss trotzdem jede Minute fürchten, dass es publik wird. Außerdem muss sie sich als Leiterin erst einmal gegenüber ihren Kollegen durchsetzen. Die Perspektive ist weitgehend die Karens, daher erfährt man von ihrem Innenleben am meisten. Je mehr sie sich den Mitmenschen öffnet, desto mehr erfährt auch der Leser, was sie quält. Kurze Perspektivwechsel machen die Sache interessant, dienen aber oft nur zu näheren Beschreibung. Bei alle Emotionalität und privaten Krisen bleibt der Fall doch immer im Vordergrund und wird dabei immer undurchsichtiger. Karens Theorie, dass die Wurzel allen Übels in einer Kommune aus dem Jahr 1970 liegt, wird von ihren Kollegen ignoriert, von den Einschüben im Text jedoch untermauert. In kürzeren Kapiteln wird aus dieser Kommune gerade immer nur soviel preis gegeben, wie es zum Ermittlungsstand passt, so dass auch dies den Spannungsbogen langsam aber sicher zum fulminanten Finale voran treibt.

Besonders interessant und skurril fand ich das Setting. Das ist echt mal originell. Doggerland, eine fiktive Insellandschaft, ist eine Mischung aus England und Skandinavien, wobei skandinavische Einflüsse meines Erachtens überwiegen. Die Menschen sind zumeist in der Fischerei tätig, trinken und feiern gern, haben kalte Winter, Fährverbindungen in alle Richtungen und bleiben doch am liebsten auf ihrem Eiland und beklagen wie alle den Niedergang ihrer Kultur. Man kennt sich untereinander und Fremde will man nicht haben. Wobei fremd jeder ist, der nicht auf Doggerland geboren ist. Über diesen zumeist recht skurrilen Menschenschlag hätte ich sehr gerne mehr erfahren. Die Szenen, in denen Karen, die zum Glück weiß, wie man diese eigenwilligen Leute zu nehmen hat und dies auch für ihre Ermittlungen sehr klug nutzt, fand ich mit am besten und sie zeugten zumeist von einer großen Portion Humor. Durch das Jahrzehnte alte Wissen der einheimischen Bevölkerung bekommt Karen, die heimgekehrte Tochter, die besten Hinweise. Auch wenn man irgendwann eine vage Ahnung hat, was passiert sein könnte, überschlagen sich die Ereignisse zum Ende hin doch mehr und mehr und man kann einfach nicht mehr aufhören zu lesen. Die Lösung ist denn auch gut herausgearbeitet und befriedigend und auch der emotionale Aspekt kommt nicht zu kurz.

Fazit: Großartiges Krimidebüt einer Autorin, die man sich unbedingt merken sollte. Für Fans des (Skandinavien-)Krimis ein Muss, aber auch für Einsteiger ins Genre sehr gut geeignet. Mit Karen Eiken Hornby ist der Autorin eine sehr authentische Ermittlerfigur gelungen, die super sympathisch ist und die das Potential hat um sich weiter zu entwickeln und uns noch mit vielen weiteren Fällen zu erfreuen. Auch ihre Mitstreiter und die Menschen von Doggerland sind charakterlich gut herausgearbeitet und machen Lust mehr über sie zu erfahren. Ich jedenfalls freue mich schon auf den nächsten Band!