Rezension

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Südbalkon - Isabella Straub

Südbalkon
von Isabella Straub

Bewertet mit 5 Sternen

Haste nix - biste nix ?!

"Südbalkon" ist ein wunderbarer Roman, sprachlich und stilistisch sehr  gut geschrieben. Ich konnte das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen. Die Protagonistin, Ruth Barbara Amsel, ist nach einem abgebrochenen Medizinstudium und einem Praktikum in der Traueranzeigenredaktion arbeitslos. Sie lebt mit ihrem Freund Raoul in einer kleinen Wohnung in Wien. Vordergründig ist Ruth eine "Versagerin" - keine Karriere, kein Kind, den Dienst an der Gesellschaft hat sie also nicht erfüllt. Ruth ist das einzige Kind ihrer Eltern und konnte den Traum vom sozialen Aufstieg auch für die Eltern nicht erfüllen. Eine gewisse soziale Aussortiererei gab es bereits in der Schule  - Ruth trug die falschen Klamotten, war ergo nicht wohlhabend genug, um in die "Selma - Bande" aufgenommen zu werden. Aus der Schulzeit kennt sie ihre beste Freundin Maja, der der soziale Aufstieg qua Heirat geglückt ist. Die beiden Frauen treffen sich zum Kaffeetrinken im Möbelhaus, denn Ruth muss sparen.
Geht Ruth mal shoppen oder in ein chices  Café, so wird ihr mehr oder weniger unterschwellig suggeriert , dass sie nicht "dazu" gehört.
Dann gibt es noch Herrn Othmar, Ruths Fallmanager, und die Nachbarn im Haus. Gestrenge Senioren mit Hund und eine junge Familie, die aber nicht glücklich zu sein scheint. Ausserdem hat Ruth einen Lieblingsmetzger im Viertel.
Isabella Straub hat einen guten Blick für's Detail und seziert menschliche Befindlichkeiten, indem sie scheinbar absurde Situationen entwirft. Teilweise erinnerte mich der Roman an Shalevs "Liebesleben" oder an Kimhis "Die weinende Susannah" (ein Roman, der noch komplexer ist. Susannah wird quasi "wachgeküsst" und traut sich dann ein neues Leben zu,anders als Ruth Barbara).

Teilweise gleicht der Roman "Südbalkon" einem Traum; Reales und
Surreales  wird vermischt .
Die Frage nach Beständigkeit und Loyalität spiegelt sich auch im Zerfall der elterlichen Ehe, und schliesslich glaubt auch Ruth zu erkennen, dass ihre Beziehung mit Raoul am  Ende ist. Das Ende des Romans ist jedoch offen...
"Südbalkon" ist glücklicherweise völlig frei von Klamauk. Eine ernste Geschichte, die jedoch  viel Humor zu bieten hat.
Es ist die Geschichte einer Frau; von seichter chicklit jedoch meilenweit entfernt. Ich habe mich während der Lektüre keine Sekunde lang gelangweilt. Es wird zwar Sozialkritik geübt, dies geschieht aber nie in einem anklagenden Ton, eher en passant.
Was mir besonders gut an "Südbalkon" gefällt - Ruth lernt zwar einen neuen Mann kennen & sie hat einen Job in Aussicht, aber es löst sich eben nicht alles in Wohlgefallen auf, denn das Leben an sich ist nun einmal grotesk...

MIt "Südbalkon" hat die Autorin Isabella Straub ein wunderbares Debüt vorgelegt. Den Roman wird man entweder lieben oder hassen.