Rezension

Toten Stille im Watt - ein Experiment des Autors

Totenstille im Watt - Klaus-Peter Wolf

Totenstille im Watt
von Klaus-Peter Wolf

Als "Experiment" hat Klaus-Peter Wolf seinen neuen Roman aus der Sicht des Serienkillers Dr. Bernhard Sommerfeldt bezeichnet. Die Geschichte sei in seinem Kopf gewesen und habe niedergeschrieben werden müssen so der Autor in einem Interview. Ein Experiment, das ist sein Wesen, ist ergebnisoffen - kann erfolgreich sein oder auch scheitern. Meiner Meinung nach ist dieses Experiment gescheitert, nicht krachend aber doch deutlich. 

Der Roman ist ausschließlich aus der Perspektive des Protagonisten verfasst, ein auktorialer Erzähler fehlt. Um so höher ist der Anspruch, aus der Sicht des Ich-Erzählers eine solide Charakterisierung aller handelnden Personen darzubieten. In "Totenstille im Watt" empfinde ich nicht einmal den Protagonisten als solide charakterisiert. Die sicherlich vorhandenen Abgründe der Seele eines Serienkillers bleiben unausgesprochen, viele Handlungsschritte des Bernhard Sommerfeld scheinen unmotiviert und textlich unvorbereitet ("deus ex machina"), ohne wirklich ehrlich zu wirken. Es mag sein, dass es die Absicht des Autors ist, gerade durch diesen "Kniff" die psychische Verfassung des Täters ins Schlaglicht zu rücken, doch verfehlt es seine Wirkung. Noch drastischer ist die flache Darstellung anderer Charaktere. Die Freundin des Protagonisten wird als gebildet dargestellt, ist literarisch bewandert und engagiert - und bleibt dennoch unglaublich blass und - fast noch schlimmer - kindlich naiv, bald stupide treuseelig. Gleiches gilt im Übrigen für die sonst so bewanderten Ermittler, die freilich nur am Rande wirken. 

Sicher ist "Totenstille im Watt" kein Kriminalroman und erhebt auch nicht den Anspruch einer zu sein, doch auch im Roman ist Spannung und Klarheit in der Handlung wichtig. Auch hier bleibt das Buch eher schwach. Handlungen wirken wie aneinandergereiht, ohne inhaltliche Bindung, und erscheinen durchweg vorhersehbar. Spätestens nach der ersten Tat fragt sich der kritische Leser, warum dem Treiben des Mörders nicht sofort ein Ende gesetzt wird. Gewalt, Erpressung und später auch Mord bleiben trotz deutlicher Hinweise auf den Täter und vorhandener Zeugen (!) erstaunlich unbeachtet von den Ermittlern, über die der Ich-Erzähler berichtet. Diese Verschwiegenheit von Bedrohten, Zeugen und die Untätigkeit (Unfähigkeit?) der Ermittler erstaunt, führt aber dazu, dass der Roman weitergeht - ohne sie wäre die Handlung spätestens nach 100 Seiten beendet. 

Schon in den Ostfriesenkrimis auffällig, hier jedoch bis zum Ende der Glaubwürdigkeit ausgeschöpft, ist die "Werbung" für lokale Persönlichkeiten, nicht zu letzt die Ehefrau des Autoren und einen Redakteur des (über)regionalen Magazins, deren Arbeit (und Aussehen) offenbar über jeden Zweifel erhaben zu sein scheinen. 

Experimente können scheitern - das ist gut so. Dennoch werde ich den zweiten Teil der angekündigten Sommerfeldt-Trilogie lesen, denn: Expermiente können auch gut enden.