Rezension

Totenfang

Totenfang - Simon Beckett

Totenfang
von Simon Beckett

Mehr als fünf Jahre liegen zwischen dem Erscheinungsdatum des vierten und des fünften David Hunter Romans. Die ersten Bände, insbesondere die ersten drei, habe ich "damals" in Rekordgeschwindigkeit verschlungen und nenne sie, bei der Frage nach meinen Lieblingsthrillern, immer zuerst. Die Erwartungen an diesen fünften Band waren gigantisch, die Freude darauf groß.

Ich hatte keinerlei Probleme mich in dem Buch zurecht zu finden, auch wenn es sehr ruhig begann. Der Schreibstil von Simon Beckett ist einfach und flüssig zu lesen. Die Geschichte wird aus der Ich-Perspektive des Protagonisten David Hunter erzählt. Die ersten Seiten las ich sehr schnell, auch wenn keine Spannung aufkam. Ich mag keine actiongeladene Spannung, keine pausenlose Aneinanderreihung von Geschehnissen, sondern eher atmosphärische Spannung, erzeugt durch Stimmung, Bemerkungen, langsame Entwicklungen. So störte mich diese fehlende Spannung zunächst nicht. Als ich jedoch auf Seite 200 angekommen war und immer noch keinerlei Drang zum Weiterzulesen empfand, machte sich die erste Enttäuschung breit. Ich verlor die Lust an dem Buch, legte es für einige Tage zur Seite und las nur noch häppchenweise weiter. Als ich auf S. 320/560 ankam, wollte eine Freundin wissen, wie mir das Buch mittlerweile gefällt. Ich gab ihr folgende Antwort: "Ich glaube, so langsam macht sich etwas ähnliches wie Spannung bemerkbar." Wirkliche Spannung kam auch in den darauffolgenden 240 Seiten nur gelegentlich auf. Das Miträtseln, wer der Täter war, hielt sich in Grenzen. Die Geschehnisse und Entwicklungen konnten mich zwar bei Laune halten, sodass ich das Buch relativ schnell fertig las, aber ich hatte mir dennoch mehr Spannung zum Ende erhofft. Auch dieses empfand ich leider nur als ganz okay. Ich habe diese Entwicklung zwar nicht erwartet, aber vollkommen überrascht oder zufrieden gestellt hat sie mich dennoch nicht.

Was ich bei diesem Buch besonders bedauere, und was auch ein Grund für meine fehlende Begeisterung ist, ist der fehlende Bezug zu den Opfern. Zu Beginn des Buches gibt es zwei Opfer. Beide sind nicht nur unsympathisch, sondern auch dermaßen blass, dass es mir schwer fiel, sie mir als Menschen vorzustellen. Für mich waren sie Mittel zum Zweck. Die Leichen, deren Mörder es zu finden galt. Auch die anderen Charaktere in diesem Buch sind unterschiedlich gut gelungen. Bei David Hunter fällt mir der Vergleich etwas schwer, da das Lesen des Vorgängers bereits einige Zeit her ist. War David Hunter schon immer so blass, so perfekt? Hat sich nur mein Geschmack geändert? Fällt mir diese unauthentische Perfektion, diese Blässe erst jetzt auf? Die anderen Charaktere sind Stereotypen. Die giftige Ermittlungsleiterin, der großväterliche Polizist, die sympathische und wunderschöne Schwester des Opfers, der griesgrämige Eigenbrötler...alles schon da gewesen. Dennoch konnten mich einige der Charaktere überzeugen, wie bspw. der großväterliche Polizist Lundy. Die Stellen mit ihm empfand ich immer als besonders lesenswert.

Fazit: Was macht ein gutes Buch aus? Eine spannungsgeladene Handlung? Ein eindringlicher Schreibstil? Authentische Charakter? An "Totenfang" ist nichts schlecht, aber auch nichts hervorragend. Die Handlung dümpelt die meiste Zeit vor sich hin, ist jedoch nur selten wirklich langweilig. Der Schreibstil ist weder eindringlich noch herausragend, aber angenehm und einfach zu lesen. Bei den Charakteren handelt es sich zwar größtenteils um Stereotypen, doch als nervig empfand ich keinen. Kurz: Für mich ist Totenfang kein schlechtes Buch, aber auch keines, das man unbedingt gelesen haben muss.