Rezension

Tradition ist eine Möglichkeit, keine Tatsache

Worauf wir hoffen - Fatima Farheen Mirza

Worauf wir hoffen
von Fatima Farheen Mirza

Bewertet mit 5 Sternen

Vor drei Jahren hat Amar sein Elternhaus im Streit verlassen. Jetzt kehrt er zur Hochzeit seiner ältesten Schwester Hadia zurück. Nach und nach erzählt die Autorin Fatima Farheen Mirza die Geschichte einer Familie, erzählt von Traditionen, Glauben, Erwartungen und Enttäuschungen.

Es ist eine Familie muslimischen Glaubens mit indischer Herkunft. Lailas Ehe mit Rafik war arrangiert, sie folgt sie dem Ehemann in die USA. Bald haben sie drei Kinder, die zwei Töchter Hadia und Huda und den Nachzügler Amar. Die Eltern sind tief im Glauben verwurzelt und wollen diesen auch an die Kinder weitergeben. Laila hinterfragt die für sie getroffenen Entscheidungen nicht immer. Wenn sie den Eltern, später dem Mann gefällt, gefällt sie auch Gott. Überhaupt wird sämtliches Tun in der Familie auf ein Bestehen vor Gott ausgerichtet. Die Eltern haben hohe Erwartungen an ihre Kinder. Doch Amar ist so ganz anders als seine Schwestern, impulsiv, verspielt, sensibel. Alle Hoffnungen werden in Hadia gesetzt, sie soll die Eltern mit Stolz erfüllen.

Worauf hoffen wir, wenn wir an Familie, an unsere Kinder denken. Darauf, dass unsere Kinder als eigenständige, selbstbewusste, unabhängige Persönlichkeiten in ein erfülltes Leben entlassen werden.

Religiöser Glauben und das unkritische Festhalten an Traditionen lässt den Kindern in diesem Roman nicht viel Raum, nicht viele Freiheiten. Mir lag sehr viel an Amar, er hatte sowas Besonderes, Verletzliches an sich. Ein Kind, später ein junger Mann, ständig an der Leistung der großen Schwester gemessen. An den Fehlern der Eltern reibt er sich auf, verliert den Boden unter den Füßen. Aber niemand in dieser Geschichte ist ausschließlich „gut“ oder „böse“. Die Eltern nicht, denn viele ihrer Fehler machten sie nicht aus Bösartigkeit, sondern im Glauben im Guten zu handeln. Auch Hadia hat ihre Schattenseiten. Die mittlere Schwester Huda bleibt die meiste Zeit über farblos, vielleicht das typische Schicksal eines Sandwichkindes.

Fatima Farheen Mirza erzählt die Geschichte nicht linear, sie springt zwischen den Zeiten, lässt Erinnerungen aufeinanderfolgen, gibt vor allem Hadia, Amar und Laila eine Stimme. Verbundenheit und  Aufbegehren liegen emotional ganz nah aneinander. Mich ließ dieser Roman viel nachdenken, über Eltern-Kind-Beziehungen, gegenseitigen Respekt und Toleranz und darüber dass Tradition wohl eine Möglichkeit aber keine Tatsache ist.