Rezension

Tragikomische Geschichte über eine ungewöhnliche Patchworkfamilie

Der Zopf meiner Großmutter - Alina Bronsky

Der Zopf meiner Großmutter
von Alina Bronsky

Bewertet mit 5 Sternen

Eine außergewöhnliche alte Frau war ja schon die Protagonistin in Alina Bronskys letztem Roman „Baba Dunjas letzte Liebe“, und eine durchtriebene Großmutter tauchte bereits in „Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche“ auf. Die Großmutter aus dem vorliegenden Buch toppt das Ganze aber noch einmal.

Gemeinsam mit Ehemann und Enkelsohn kommt sie als jüdischer Kontingentflüchtling von Russland in ein deutsches Flüchtlingswohnheim. Sie wettert gegen alles und jeden und führt zu Hause ein strenges Regiment. Der Ehemann schweigt still vor sich hin, der Enkel Max wird von der Oma so richtig klein gemacht, indem sie ihm die Rolle des debilen Idioten mit geringer Lebenserwartung zuweist. Dennoch reift Max zu einem aufgeweckten und seine Oma an Schläue überbietenden Jungen heran, aus dessen Sicht die Geschichte erzählt wird. Als sich der Großvater in eine junge Klavierlehrerin verliebt und diese schwängert, tritt in dem Familienverbund eine unerwartete Wendung ein, woran vor allem die Großmutter ihr Zutun hat.

Die Lektüre hat mir sehr viel Spaß bereitet. Das Buch besticht durch das Wesen der Großmutter. So widersprüchlich es auch ist – obwohl ihr eigentlich nur negative Charaktereigenschaften anhaften, hinterlässt sie doch einen liebenswerten Eindruck. Faszinierend ist auch, wie sich zum Hintergrund der Familie (was ist mit den Eltern von Max?) lange Zeit unter Rückgriff auf wenige eingestreute Informationen nur Vermutungen anstellen lassen und sich am Ende alles dann etwas klarer, wenngleich nicht vollständig geklärt, darstellt. Heraus kristallisiert sich ein trauriger Hintergrund, der aber ansatzweise begründet, weshalb die Großmutter so ist, wie sie eben ist.

Das Buch hat sicherlich das Potenzial, wie schon „Scherbenpark“ zur Schullektüre im Deutschunterricht zu werden.