Rezension

Tragikomische Unterhaltung

Sprich mit mir
von T.C. Boyle

Bewertet mit 4 Sternen

Gebundene Ausgabe: 350 Seiten

Verlag: Carl Hanser (25. Januar 2021)

ISBN-13: 978-3446269156

Originaltitel: Talk to me

Übersetzung: Dirk Gunsteren

Preis: 25,00 €

auch als E-Book und als Hörbuch erhältlich

 

Tragikomische Unterhaltung

 

Inhalt:

Professor Guy Schemerhorn forscht an einem Schimpansen, Sam. Seit Sam ein Baby war, wurde er von Schemerhorn wie ein menschliches Kind im Haushalt aufgezogen. Im Alter von zwei Jahren kann er per Gebärdensprache schon viele Dinge ausdrücken und versteht noch mehr. Als die schüchterne Studentin Aimee zu Sams Betreuungsteam stößt, ist sie von Sam hin und weg - und er von ihr. Fortan ist sie seine wichtigste Bezugsperson, und sie blüht mit dieser Aufgabe regelrecht auf. Doch dann werden die Forschungsgelder gestrichen, und Sam wird Aimee weggenommen und landet in einem Käfig. Das kann Aimee natürlich nicht zulassen …

 

Meine Meinung:

Ist die Geschichte zu Anfang noch recht witzig, weil Sam sich ganz ähnlich wie ein menschliches Kleinkind verhält, süß aussieht und sich herzzerreißend benehmen kann, aber auch alle möglichen Streiche und Unfug im Sinn hat, Umarmungen und Küsschen einfordert und sich tierisch für Pizza und Cola begeistern kann, schlägt sie später um und gewinnt immer mehr an Tragik. Fesselnd und spannend ist sie aber von vorne bis hinten. Sowohl die Verhaltensweisen von Sam als auch seiner menschlichen Betreuer lassen sich gut nachvollziehen. Nur gegen Ende gibt es eine Szene, die ich persönlich zu kitschig fand.

 

Immer wieder wird hier die Frage aufgebracht, ob Tiere Gefühle haben, ob sie vorausschauend handeln können und vieles mehr. Doch das ist nach dem heutigen Stand der Forschung ja eigentlich keine Frage mehr. Insofern bietet dieser Roman nichts Neues. Trotzdem ist er sehr lesenswert, denn kaum jemand gibt der Leserschaft so eindrücklichen Einblick in das Innenleben eines Tieres wie es T. C. Boyle hier tut. Anfangs wird die Story aus Aimees Perspektive erzählt, doch später kommt auch Sams Sicht hinzu. Spätestens, wenn man mit ansehen muss, wie er in seinem KÄFIG hockt und ANGST vor dem GROSSEN MANN mit dem Stachel hat, wie er die KÄLTE des Betons unter sich spürt und wie die SCHEISSE stinkt, weil sie nur gelegentlich mit WASSER weggespült wird, ist wohl jede*r betroffen von der Art, wie mit Tieren umgegangen wird. Und hier stellt sich dann die Frage: Was macht das Menschsein aus? Wer verhält sich menschlicher, ein grausamer Mensch oder ein mitfühlendes Tier? 

 

★★★★☆