Rezension

Tragisches Familienporträt

Überflieger - Karin Ernst

Überflieger
von Karin Ernst

Bewertet mit 4 Sternen

Toll beschriebenes Porträt einer Familie, die durch falsche Wahrnehmung und Überschätzung in einem Alptraum gefangen ist, trotz Überzeichnung nahe an der Realität

Claire und Niko sind ein perfektes Paar in jeder Hinsicht, und so haben sie selbstverständlich auch perfekte und hochbegabte Kinder, für die sie alles tun.

 Teenager Cordelia ist eine begabte Pianistin und gute Schülerin. Raffael, genannt Raffi, ist erst fünf Jahre alt, hat sich aber bereits lesen, schreiben und rechnen beigebracht und soll daher früher eingeschult werden. Da die Familie gerade erst nach längerem USA Aufenthalt zurück in Deutschland ist, sind die Kinder zweisprachig aufgewachsen.

Die Mutter Claire ist tonangebend in der Familie, sie bildet sich viel auf ihre Intelligenz ein und schaut auf andere herab. Sie ist der Überzeugung alles richtig zu machen und das Maß der Dinge zu sein, sie ist Erfolg gewöhnt und dass sich alles fügt, wie sie es wünscht. Aber bereits die Einschulung des Jungen verläuft anders als erwartet, mit dem Schulalltag verhält es sich ebenso. Die Begabung des Kindes wird von der Schule nicht erkannt und bei Raffi entsteht ein Frust, der die Familie vor große Herausforderungen stellt. Der Junge kann die Erwartungen der Eltern und auch die der Lehrerin nicht erfüllen und so beginnt ein Ringen um Schuld und Lösungen, ohne auf das Kind zu schauen. Die Eltern zeigen sich unbelehrbar, die Kinder geraten völlig aus dem Blick und schließlich gipfeln die Ereignisse in einer Katastrophe.

Die Autorin beschreibt geschickt, bildreich und messerscharf die Konflikte und die einzelnen Protagonisten, hin und wieder gibt es einige Längen, die man gerne verzeiht.

 

Das Anspruchsdenken der Protagonisten, Diskrepanzen in der Selbst- und Fremdwahrnehmung  und das Bildungssystem werden hier bissig aufs Korn genommen. Das Lachen bleibt einem manchmal in der Kehle stecken, denn so überzeichnet die Situationen und Charaktere sein mögen, so nah an der Realität kommen sie einem vor.

Schmerzhaft müssen diese Eltern lernen, dass ihre Kinder nicht dazu sind da sind,  Wunschbild und Ansprüche der Eltern zu erfüllen.

 

Ein gelungenes Debüt, das zum Nachdenken anregt und aufzeigt, wie Erwartungshaltung und fehlende Grenzen Kindern überfordern können.